Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
wenngleich sie nicht ganz so edel aussah, sondern eher streng wirkte.
    Das passte zu seinem etwas verkniffen wirkenden Gesicht, dem mit seiner hohen Stirn, den tief liegenden grauen Augen und den kaum vorhandenen Augenbrauen etwas vage Unangenehmes anhaftete. Wenn dieser Mann ein Doktor war, hatte er Caryas Empfinden nach seinen Beruf verfehlt, denn sie vermochte sich kaum vorzustellen, dass irgendein Patient ihm Vertrauen entgegenbringen konnte.
    »Du bist wach«, sagte er, während er die Tür hinter sich wieder schloss. »Das ist gut.« Er ging zu dem piependen Kasten und studierte die Anzeigen. Obwohl Carya annahm, dass sie ihm alles über ihren Zustand verrieten, richtete er den Blick auf sie. »Wie geht es dir?«
    »Gut«, erwiderte Carya mit rauer Stimme. »Denke ich. Etwas zu trinken wäre schön.«
    »Natürlich«, sagte der Mann, durchquerte das Zimmer und nahm eine Flasche und ein Glas aus einem Fach, das Carya nicht sehen konnte. Er füllte eine klare, sprudelnde Flüssigkeit in das Glas, kehrte zu ihr zurück und gab es ihr.
    Dankend nahm Carya es entgegen und trank. »Es prickelt«, stellte sie erstaunt fest. Es war ein gänzlich ungewohntes Gefühl im Rachen.
    »Mineralwasser«, erklärte er ihr knapp. Dann schien ihm einzufallen, dass sie mit dem Begriff womöglich nichts anfangen konnte, und er fügte hinzu: »Es ist ungefährlich.«
    Carya nahm einen weiteren Schluck. Das Wasser war nicht schlecht. »Danke.«
    Der Mann nahm ihr das leere Glas wieder ab und stellte es zur Seite. Anschließend zog er sich einen Hocker heran und setzte sich. Er stützte die Unterarme auf die Knie und sah Carya ernst an. »Wie lautet dein Name?«
    »Zuerst möchte ich wissen, wo ich bin«, antwortete Carya mit einer Gegenfrage.
    Der Mann schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht. Erst beantwortest du meine Fragen. Danach sehen wir weiter.«
    Sein Tonfall sorgte dafür, dass sich Widerstand in ihr regte. »Warum sollte ich Ihnen irgendetwas erzählen?«
    Stirnrunzelnd sah sie der Mann an. »Aus zwei Gründen solltest du das. Erstens: Dankbarkeit. Du könntest auch tot sein. Aber unsere Ärzte haben dich wieder zusammengeflickt, und wenn ich mir deine Werte anschaue, wirst du vermutlich übermorgen schon wieder auf den Beinen sein. Zweitens: Höflichkeit. Ich verlange ja nicht von dir, dass du mir hochgeheime Informationen preisgibst. Ich will lediglich deinen Namen wissen, woher du kommst und was du in diesem gefährlichen Gebiet oben auf dem Pass zu suchen hattest. Ich denke nicht, dass das zu viel verlangt ist.«
    Leicht beschämt musste Carya sich eingestehen, dass er da vermutlich recht hatte. Seit sie als Gefangene des Tribunalpalasts verhört worden war, schien sie zur Überreaktion zu neigen, wann immer jemand ihr gegenüber etwas entschiedener auftrat. »Na schön«, sagte sie, trotz allem nicht gewillt, sich bei dem seltsamen Mann, der sich im Übrigen selbst auch nicht vorgestellt hatte, zu entschuldigen. »Ich heiße Carya Diodato. Ich stamme aus Arcadion und …«
    Sie zögerte. Am liebsten hätte sie sich dafür in den Hintern getreten, denn egal, was sie jetzt sagte, nun musste ihr Gegenüber misstrauisch werden. Dummerweise hatte sie nach dem Aufwachen zu wenig Zeit gehabt, um sich eine Tarngeschichte auszudenken. Und auf seine dritte Frage würde sie erst wahrheitsgemäß antworten, wenn sie wusste, wo sie sich gegenwärtig befand und ob diese Leute zur Erdenwacht gehörten oder nicht.
    »… ich war auf dem Rückweg dorthin«, fuhr sie fort. »Von Paris.« Sie erinnerte sich an die Karte auf Lucenos Navigator, die Jonan und sie mehrfach angeschaut hatten. Die direkte Strecke Arcadion - Paris hatte mitten durch die Berge geführt. Gänzlich abwegig war ihre Antwort also nicht.
    »Von Paris?«, wiederholte der Mann, und er klang dabei, als wäre diese Antwort doch ziemlich abwegig.
    Carya nickte.
    »Du bist durch ganz Francia gewandert? Zu Fuß?«
    »Na ja, zuerst waren wir mit einer Handelskarawane unterwegs. Und dann sind wir zu Fuß weiter, ja. Oh, wo wir gerade davon sprechen …« Caryas Miene verfinsterte sich. »Was ist mit meinen Freunden?« Sie blieb absichtlich vage, wen genau sie damit meinte, weil sie sich nicht sicher war, ob ihre Angreifer Elje gesehen hatten. Sie musste davon ausgehen, aber vielleicht hatte das Mädchen auch Glück gehabt.
    »Du meinst diesen jungen Mann und den frechen Bengel?«
    »Jonan und Pitlit, meine Freunde«, bestätigte Carya.
    »Nun, den Bengel haben wir

Weitere Kostenlose Bücher