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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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eine um. Er war tot.
    Es war Krieg.

    Als der Krieg aus war, kam der Soldat nach Haus. Aber er hatte kein Brot. Da sah er einen, der hatte Brot. Den schlug er tot.
    Du darfst doch keinen totschlagen, sagte der Richter.
    Warum nicht, fragte der Soldat.

    Als die Friedenskonferenz zuende war, gingen die Minister durch die Stadt. Da kamen sie an einer Schießbude vorbei. Mal schießen, der Herr? riefen die Mädchen mit den roten Lippen. Da nahmen die Minister alle ein Gewehr und schossen auf kleine Männer aus Pappe.
    Mitten im Schießen kam eine alte Frau und nahm ihnen die Gewehre weg. Als einer der Minister es wiederhaben wollte, gab sie ihm eine Ohrfeige.
    Es war eine Mutter.

    Es waren mal zwei Menschen. Als sie zwei Jahre alt waren, da schlugen sie sich mit den Händen.
    Als sie zwölf waren, schlugen sie sich mit Stöcken und warfen mit Steinen.
    Als sie zweiundzwanzig waren, schossen sie mit Gewehren nach einander.
    Als sie zweiundvierzig waren, warfen sie mit Bomben.
    Als sie zweiundsechzig waren, nahmen sie Bakterien.
    Als sie zweiundachtzig waren, da starben sie. Sie wurden nebeneinander begraben.
    Als sich nach hundert Jahren ein Regenwurm durch ihre beiden Gräber fraß, merkte er gar nicht, daß hier zwei verschiedene Menschen begraben waren. Es war dieselbe Erde. Alles dieselbe Erde.

    Als im Jahre 5000 ein Maulwurf aus der Erde rauskuckte, da stellte er beruhigt fest:
    Die Bäume sind immer noch Bäume.
    Die Krähen krächzen noch.
    Und die Hunde heben immer noch ihr Bein.
    Die Stinte und die Sterne,
    das Moos und das Meer
    und die Mücken:
    Sie sind alle dieselben geblieben.
    Und manchmal –
    manchmal trifft man einen Menschen.

Liebe blaue graue Nacht
    Es ist nicht wahr, daß die Nacht alles grau macht. Es ist ein unbeschreibliches, unnachahmliches Blaugrau – das Grau für die Katzen und das Blau für die Frauen –, das die Nacht so schwer und so süß ausatmet und das so berauscht, wenn es uns zwischen halb zehn Uhr abends und Viertel nach vier morgens anweht.
    Sanfter als der Augenaufschlag eines Babys weht uns das Blaugrau an und es weht uns um, wenn wir ein blindes, hellhöriges Herz haben. Nachts ist unser Herz blind und hellhörig und dann vernimmt es den Atem der Nacht, den blumenblauen, mausegrauen Atem, der uns, die wir ein hellhöriges Herz haben, immer anweht und umwehen wird, wo wir auch sind:
    Riechst du das tolle betäubende Blau der Nacht, du in Manhattan und du in Odessa?
    Riechst du das geborgenmachende Grau, das die Katzen in Rotterdam und Frisco so sinnlich sehnsüchtig singen macht?
    Riechst du das Graublau der verführenden Nacht, das alkoholige, sternentauige, das die verdorbensten der Marseiller Mädchen zu Madonnen macht, wenn es sich unter ihren Lidern, in ihren Locken und auf ihren Lippen verfängt?
    Riechst du das nebelige, flußdunstige Blaugrau, das uns das Gestern verhüllt und das Morgen versteckt, riechst du das, du in Altona und du in Bombay? Riechst du die Nacht und berauscht sie dich nicht? Sie berauscht dich nicht?
    Reiß dir dein Herz aus, tu es und wirf es der Nacht in den süßen, sinnlichen Schoß! Ihr Atem ist sanfter als der Wimperschlag eines Mädchens, und dein Herz wird aufblühen wie unter unbegreiflichem Zauber.

    Die Jungen, die noch nichts wissen, die alles dunkel erst ahnen und kaum beginnen, sie quälen sich nicht. Sie gehen durch die nachtvollen, durch die nachtübervollen Straßen – ziellos, wortlos, zeitlos.
    Vielleicht gehen sie nur zwei oder drei Stunden nebeneinander, nah nebeneinander, vielleicht gehen sie so – nah, ganz nah –, bis es anfängt, hell zu werden. Manchmal versucht einer von ihnen ein kleines belangloses Wort, manchmal antwortet es, ängstlich vor zuviel Nähe. Ach, nicht zuviel, vor so viel Nähe! Kann sein, sie kommen immer wieder dieselben Straßen gegangen und über dieselben verödeten, verhexten Plätze, die jetzt alle viel mehr da sind, weil der Tag ihnen das Gesicht nimmt. Kann sein, sie verlaufen sich an die Peripherie des Steintieres Stadt, wo Gärten, Alleen und Parks feierlich übertaut und sonntäglich ungewohnt sind.
    Sie haben sich an die Peripherie der unendlichen Steinwüste (ach, von wegen Wüste!) geträumt und nun stehen sie mit erschrockenen Ohren und nassen Schuhsohlen: O Gott, was ist das?
    Frösche.
    Frösche? Quaken die so laut?
    Sie singen, Lisa, sie sind verliebt. Dann singen sie so laut.
    Na, Mensch, singen?
    Laß sie man – ich finde das ganz nett.
    Nett, ja – aber singen? Ich glaube, sie

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