Das Gesamtwerk
lachen. Du, die lachen über uns!
Wieso? Über uns?
Weil es schon seit ein paar Minuten regnet – und weil wir mitten im Regen stehen und weil wir es nicht gemerkt haben.
Sommerregen ist nützlich. Er macht größer, wenn man keine Mütze auf hat.
Willst du größer werden? Ich bin doch auch nicht größer.
Damit ich größer bin als du, Lisa.
Mußt du denn größer sein als ich, du?
Ich weiß nicht. Ich finde.
Komme mir keiner und sage, daß er den Regen nicht liebe. Ohne ihn würde die Sonne uns alle ermorden. Nein, komme mir keiner – wir haben allen Grund, ihn zu lieben!
Gibt es einen schöneren Gesang als einen nächtlichen Regen? Ist irgend etwas so heimlich und so selbstverständlich, so geheimnisvoll und schwatzhaft wie der Regen in der Nacht? Haben wir so abgestumpfte Ohren, daß wir nur noch auf Straßenbahnklingeln, Kanonendonner oder Symphoniekonzerte reagieren? Vernehmen wir nicht mehr die Symphonien der tausend Tropfen, die bei Nacht auf das Pflaster plauschen und rauschen, lüstern gegen Fenster und Dachziegel flüstern, die den Millionen Mücken Märchen auf die Blätter, unter denen sie sich verkrochen haben, leis dommeln und trommeln, uns durch die dünnen Sommerkleider auf die Schulter tropfen und klopfen oder mit winzigen Gongschlägen in den Strom glucksen? Vernehmen wir nichts mehr als unser eigenes lautes Getue?
Aber den halberwachten Kindern erzählt der Regen noch Geschichten in der Nacht. Für die Kinder lacht und weint er nachts gegen die Scheiben – gegen ihre kleinen rosigen Ohren. Und er tröstet sie wieder in ihr Traumland zurück.
Jauchzen nur noch die Kinder über Pfützen und überschwemmte Rinnsteine? Lachen nur noch die Kinder über die dicken, dicken Tropfen, die auf der Nase zerplatzen? Liegen nur noch die Kinder andächtig ängstlich wach, wenn der Regen draußen die selbstverständlichsten Geheimnisse der Welt austratscht? Macht der Regen nur noch Kinderaugen still und groß und blank?
Dann wollen wir die dumme abgetragene, aufgeblasene Würde des Erwachsenseins wie eine vermottete Wolljacke ausziehen und auf einen großen Haufen werfen und verbrennen – und uns den himmlischen Regen, den Sohn der See und der Sonne, durch die Locken ins Hemd laufen lassen. Komme keiner und sage, das wäre keinen Schnupfen wert!
Der Gemüsemann unten schimpft keinen Augenblick, als die erste Legion Tropfen in geschlossener Formation die Kellertreppe abwärts strömt und ihn aus dem Schlaf plätschert. Er knufft seine Frau in die gepolsterten Rippen, bis sie die Augen aufmacht, und dann schleppen sie beide ohne zu mucken die schweren, vollen Gemüse- und Obstkisten aus dem Laden raus in den engen Hinterhof. An dem langen heißen Tag war alles welk und traurig geworden. Bis morgen früh würde der Nachtregen eine gute Dusche sein für den staubigen Inhalt der Kisten.
Der Regen klatscht noch ein paar Stunden mit unzähligen nassen Lappen gegen die Hauswand und in den Hof – die Gemüseleute sind längst wieder eingeschlafen. Ihre breiten, apfeligen Gesichter sehen beinahe ebenso zufrieden aus den Kissen wie der alte Unterrock, den die Frau unter die Treppe gelegt hat. Behaglich, wollüstig, selig liegt er in den Legionen herunterkleckernder Tropfen, die die tollsten Dinge von draußen wissen – so begierig ist der blaue Wollunterrock auf die wahren Begebenheiten der unwahren Welt, daß er den Regen aufsaugt, bis er sich totgelogen hat. Am Morgen wird die Treppe trocken sein – aber der alte Rock wird dick und geschwollen sein wie eine große, große Kröte!
Und in einem Hauseingang:
Ich finde es schick, daß wir jetzt so eine gute Ausrede haben. Bei dem Regen konnten wir unmöglich pünktlich nach Hause kommen. Ich finde es prachtvoll – du auch?
Wo du bist, ist es immer schick! Aber du frierst – soll ich dir meine Jacke geben?
Natürlich, damit du morgen krank bist. Komm, leg sie uns beiden über, dann können wir uns gegenseitig wärmen.
Die Frösche singen immer noch, hörst du?
Meinst du, der Regen hat ihre Liebe noch nicht abgekühlt?
Meinst du, der Regen kann Liebe abkühlen?
Och, ich weiß ja nicht, wie ehrlich die Frösche es mit ihrem Gesang meinen. Ausdauer haben sie jedenfalls.
Meine Liebe könnten keine zehn Wolkenbrüche abkühlen, im Gegenteil!
Aha. Wen liebst du denn so innig, hm?
Oh, jemanden, der mit aufgeweichten Locken und nassen Füßen unter meiner Jacke zittert.
Du, wir wollen lieber nicht davon reden, jetzt nicht, ja? Hier ist es so
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