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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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Zahnbürste, verstanden! Was ich kann, können Sie auch, verstanden? Sie kriegen sie nicht, verstanden! Verstanden?
    Jawohl, Herr Wacht –
    Na also.
    Jawohl.

    Gemütlich, gewissenhaft, sonntäglich gesonnen und friedfertig beendete Wachtmeister Soboda seinen zweiten Kontrollgang zu den Zellen eins bis zwanzig. Sonntagmorgen. Neun Uhr zehn.
    Alle Häftlinge der Abteilung des Wachtmeisters Soboda nahmen ihre Ohren von den Türen ihrer Zellen und kicherten oder kopfschüttelten. Und traten vor Lachen oder Wut gegen die Wände.
    Nur Nummer Eins nicht. Nummer Siebzehn nicht. Und Nummer Neun nicht.
    Nummer Neun sackte vom Kampf gegen die Staatsgewalt erschöpft auf seinen Hocker und ließ seinen ohnmächtigen Haß an den Holzpantoffeln aus. Das tat er jeden Sonntag. Den Rest seines Innenlebens füllte der Rosahauch seiner Zahnbürste aus. Sie war rosafarben und hatte Zweifünfundvierzig gekostet. Und er würde sie nie wiedersehen.
    Nummer Eins kicherte auch nicht. Er schüttelte auch nicht den Kopf. Er riß Toilettenpapier. Vierunddreißig Blatt für jede Zelle. Nachher beim Mittagessen. Er war Lebenslänglicher und hatte es in dreiundzwanzig Jahren zum Kalfaktor gebracht.
    Er leerte die Abortkübel und füllte die Eßnäpfe. Sonntags morgens riß er aus den Reden der großen Staatsmänner Toilettenpapier. Verbrochen hatte er nichts. Wenn man ihn fragte, sagte er: Ich war zufällig dabei, wie einer totging. Nein, unschuldig war er. Und deswegen riß er zufrieden und geduldig Toilettenpapier. Jeden Sonntag. Vierunddreißig Blatt, zum Mittagessen. Lebenslänglich.
    Und Nummer Siebzehn weinte immer noch. Er war sechzehn Jahre alt und es war Sonntag und zu Hause dachten sie an ihn und aßen Kuchen. Sie dachten an ihn – aber sie hatten Kuchen. Und sie hatten keine Ahnung von den mörderisch klingelnden Fahrrädern, die stundenlang durch das Gehirn fuhren.
    Die aßen Kuchen und er saß hier und weinte.
    Es war Sonntagmorgen.

Lesebuchgeschichten
    Alle Leute haben eine Nähmaschine, ein Radio, einen Eisschrank und ein Telefon. Was machen wir nun? fragte der Fabrikbesitzer.
    Bomben, sagte der Erfinder.
    Krieg, sagte der General.
    Wenn es denn gar nicht anders geht, sagte der Fabrikbesitzer.

    Der Mann mit dem weißen Kittel schrieb Zahlen auf das Papier. Er machte ganz kleine zarte Buchstaben dazu.
    Dann zog er den weißen Kittel aus und pflegte eine Stunde lang die Blumen auf der Fensterbank. Als er sah, daß eine Blume eingegangen war, wurde er sehr traurig und weinte.
    Und auf dem Papier standen die Zahlen. Danach konnte man mit einem halben Gramm in zwei Stunden tausend Menschen totmachen.
    Die Sonne schien auf die Blumen.
    Und auf das Papier.

    Zwei Männer sprachen miteinander.
    Kostenanschlag?
    Mit Kacheln?
    Mit grünen Kacheln natürlich.
    Vierzigtausend.
    Vierzigtausend? Gut. Ja, mein Lieber, hätte ich mich nicht rechtzeitig von Schokolade auf Schießpulver umgestellt, dann könnte ich Ihnen diese vierzigtausend nicht geben.
    Und ich Ihnen keinen Duschraum.
    Mit grünen Kacheln.
    Mit grünen Kacheln.
    Die beiden Männer gingen auseinander.
    Es waren ein Fabrikbesitzer und ein Bauunternehmer.
    Es war Krieg.

    Kegelbahn. Zwei Männer sprachen miteinander.
    Nanu, Studienrat, dunklen Anzug an. Trauerfall?
    Keineswegs, keineswegs. Feier gehabt. Jungens gehn an die Front. Kleine Rede gehalten. Sparta erinnert. Clausewitz zitiert. Paar Begriffe mitgegeben: Ehre, Vaterland. Hölderlin lesen lassen. Langemarck gedacht. Ergreifende Feier. Ganz ergreifend. Jungens haben gesungen: Gott, der Eisen wachsen ließ. Augen leuchteten. Ergreifend. Ganz ergreifend.
    Mein Gott, Studienrat, hören Sie auf. Das ist ja gräßlich.
    Der Studienrat starrte die anderen entsetzt an. Er hatte beim Erzählen lauter kleine Kreuze auf das Papier gemacht. Lauter kleine Kreuze. Er stand auf und lachte. Nahm eine neue Kugel und ließ sie über die Bahn rollen. Es donnerte leise. Dann stürzten hinten die Kegel. Sie sahen aus wie kleine Männer.

    Zwei Männer sprachen miteinander.
    Na, wie ist es?
    Ziemlich schief.
    Wieviel haben Sie noch?
    Wenn es gut geht: viertausend.
    Wieviel können Sie mir geben?
    Höchstens achthundert.
    Die gehen drauf.
    Also tausend.
    Danke.
    Die beiden Männer gingen auseinander.
    Sie sprachen von Menschen.
    Es waren Generale.
    Es war Krieg.

    Zwei Männer sprachen miteinander.
    Freiwilliger?
    ’türlich.
    Wie alt?
    Achtzehn. Und du?
    Ich auch.
    Die beiden Männer gingen auseinander.
    Es waren zwei Soldaten.
    Da fiel der

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