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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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Wolken, die heute abend noch unbedingt zur Wäscherei wollen, denn sie sind schmutzig wie die Handtücher in den Bedürfnisanstalten. Doch die Vögel wissen, daß hinter den Handtüchern der Himmel blau bleibt – na, und die Autos haben gut hupen! Wer hupt, ist gesund. Vögel, Handtücher und Hupen ärgern mich, denn ich kann nicht mitmachen, weil ich krank bin: tick – tick – teck – teck – – –
    Aber ich gebe mir Mühe, geduldig zu sein wie ein Kirchenheiliger, dem man die Fingernägel absengelt und dermit seiner Engelsgeduld Gott einen Gefallen tun will. (Was müssen Engel für Leute gewesen sein! Und Gott erst – – –!)
    Meine lieben sorgenden neunzig Pfund jagen das durch die dicke Maschine, was mein Teekesselkopf ausgekocht hat – deswegen meine Kirchenheiligengeduld. Nämlich nachts, wenn meine Fußballeber Bakterien durch die Adern räuspert, dann kocht mein schlafarmer Kopfteekessel Geschichten aus – und die schreibt mein Vater morgens ab.
    Mein Vater wiegt neunzig Pfund und die Maschine fünfundvierzig Pfund, aber er behauptet, es wäre für ihn eine Erholung. Tatsächlich hat er nur Angst, ich würde mich sonst aus meiner Pfannenschwärze hochquälen und selbst anfangen zu hacken. Er weiß, daß ich keine Ruhe hätte, deswegen spielt er stundenlang meine Träumereien auf der Maschine – neunzig Pfund gegen fünfundvierzig! Mallerig ist das, total mallerig!
    Aber er ist mein Vater und fürchtet, meine Leber könnte sonst zu einem Zeppelin und mein Kopf zu einer Turbine werden und beide könnten – bei mangelnder Ventilation – womöglich platzen. Deswegen spielt er Ventilator, mein Vater, um Turbine und Zeppelin zu verhindern, denn wer kann das wissen? Vielleicht ein Bebrillter? Was nützt eine Brille, wenn nix dahinter ist, nix als ein süffisantes Lächeln und die Augen eines Tränentieres, das nicht still aus Weisheit, sondern aus Dummheit ist. Das muß man nämlich immer auseinanderhalten: Stummheit aus Weisheit oder Stummheit aus Dummheit. Ich will lieber auf die bebrillten Kapazitäten verzichten – nein, die Professoren wissen auch nix.
    Mein Vater weiß es – daß ich keine Ruhe hätte und das mit der Leber, weil er mein Vater ist – und deswegen kämpft er mit den fünfundvierzig Pfund Metall.
    Dann streiten wir uns. Die neunzig Pfund mit demtrockenen Husten und der omelettfarbene Teekesselkopf, mein Vater und ich.
    In meiner Geschichte lasse ich den Knochen einer Katze bleichsüchtig aus dem Schlamm eines Kanals heraufschillern. Der Knochen einer Katze? Oh, damit gibt mein Vater sich nicht zufrieden! Er stellt die kühnsten Fragen:
    Woher weißt du, daß es der Knochen einer Katze ist, der da in deinem Kanal liegt und sich den Stumpfsinn der Ewigkeit damit vertreibt, bleichsüchtig zu schillern?
    Ich bin überrascht, aber sehr sicher: Ich weiß es eben. Nur Katzen ersäuft man im Kanal. Außerdem weiß ich es.
    Aber die neunzig Pfund lassen sich nicht so leicht einschüchtern: Im Kanal ersäuft man – beziehungsweise ersäufen sich unter anderem: Hunde, Spatzen, schlecht gewordene Fische, alte Geweihe, erwürgte Bankiers, gelustmordete Freudenmädchen und verliebte Sekundaner. Katzen natürlich auch – aber kein Anatomieprofessor, der zudem sowieso meistens kurzsichtig ist, würde von der Brücke aus erkennen, ob es sich um den Knochen einer Katze oder eines Freudenmädchens handelt – die Professoren wissen nämlich auch nix, mein Lieber.
    Oha! Mein Vater wird zum Dichter, und der Sohn meines Vaters sucht nach billigen Ausflüchten: Ich weiß, es war ein Katzenknochen, ich weiß es ganz genau. Wenn ich schreibe, es war der Knochen einer Katze, dann ist es der Knochen einer Katze bis ans Ende der Welt und damit fertig. Wer meine Geschichte wegen des Katzenknochens ablehnt, soll es tun! Ich bin auf solche pedantischen Leser nicht angewiesen. Es war ein Katzenknochen, siehst du das nicht ein? Was sonst?
    Da kommt es ganz milde von der andern Seite des Tisches: Und wenn du nun schreibst: es war das Skelett einer Katze – ein Skelett?
    Und ich, überzeugt, aber zu kläglich, es zuzugeben: Na ja, meinetwegen dann ein Skelett.

    In der Tür steht ein großes dunkles Mädchen – nein, ein lichtes Mädchen. Es hat dunkle Augen und dunkle Haare, aber es geht lichter als sieben Sonnen über meiner schwarzen Stimmung auf.
    Mein Vater schnuppert und geht – er weiß, daß ich sonst eine Leber wie ein Zeppelin bekommen würde – zu meiner Mutter in die Küche. Er hat geschnuppert

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