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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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wütend von mir weg. Das Auge glitschte hoch über den Rand auf den Fußboden. Da blieb es liegen. Gespannt sah ich hin. Das Auge lag auf der Erde. Und es war Gottes Auge. Gottes Auge lag auf der Erde. Aber es sagte nichts. Ich sah noch einmal hin. Nein. Nichts. Ich stand auf. Ich stand langsam auf, um Gott Zeit zu lassen. Ganz langsam ging ich zur Küchentür. Ich faßte nach dem Türgriff. Ich drückte ihn langsam herunter. Mit dem Rücken zu dem Auge hin wartete ich so noch einen langen langen Augenblick an der Küchentür. Es kam keine Antwort. Gott sagte nichts. Da ging ich, ohne mich nach dem Auge umzusehen, laut aus der Tür.

Ich seh in einen Spiegel
    Frühe Gedichte

Weg
    Ich seh in einen Spiegel – –
    und bin so jung.
    Dämmerung
    wird sein,
    wenn morgen ich ein meinen Spiegel sehe,
    Kerzenschein,
    wenn hinter mir der bleiche Bruder steht.
    Und dann – –
    an irgendeinem Tage
    ist der Spiegel leer.
    Ich stand und sann
    und flüsterte die Totenklage
    meiner Jugend, schwer – – –
    Gib mir mein Lachen!
    Gib mir den Frieden wieder,
    kalter Spiegel.

Reiterlied
    Ich bin ein Reiter,
    stürmend durch die Zeit!
    Durch die Wolken führt mein Ritt –
    Mein Pferd greift aus!
    Voran! Voran!
    Der Sturm jagt neben mir!
    Voran! Mein Pferd! Voran!
    Durch die Gefahren hin stürmen wir –
    ich und du –
    mein Pferd!
    Voran!
    Durch die Zeit!
    Ich bin ein Reiter!

Sappho
    Sieh, all Dein Öffnen an das Leben war
    ein Lieben und ein trunknes Hingegeben.
    O nimm den Bruder mit vor den Altar!
    Wie Götter sich die Früchte zueinanderheben,

    so küßt ihr euch. Zu den Plejaden
    hinlacht die Seligkeit, die ihr beginnt.
    Nun lösen Kleider sich an den Gestaden,
    und Meer um schmale, weiße Brüste rinnt.

    Hell perlend aus den kühlen Wellen
    steigt auf ein Singen: Liebeslieder!
    Und Düfte zart von euren Leibern quellen –
    O küßt, Ihr Töchter, Sapphos schöne Glieder!

    Da schreitest Du, O Göttin, selig hin –
    geliebt und liebend – und hast allen Sinn.

Chinesisches Liebesgedicht
    Im Kleinen lächelt uns
    die große Weisheit an.

    Deshalb – O Tschau gei yen –
    kam ich zu Dir.

    Du bist wie Atem
    einer Orchidee …

    Tschau-gei-yen
    war eine kleine Göttin,
    die so zart und graziös war,
    daß sie auf einer flachen Hand
    tanzen konnte.

Ziel
    Mag auch der Weltenlauf
    ruh’n unter Wipfeln –
    wir wollen hoch hinauf
    zu leuchtenden Gipfeln!

    Schmal sind die Stege –
    groß ist die Sendung.
    Alles sind Wege
    zu der Vollendung!

Sommerabend
    Sommersüß
    duftende Linde
    flüstert dies
    in träumende Winde:

    Abend voll Glocken
    wehet wie Hauch
    um seidige Locken –
    heimlich im Strauch.

    Wir saßen beide
    in schwankenden Dolden,
    der Sonne Geschmeide
    umkoste uns golden …

Concerti grossi
    Da wehte um ein hölzernes Gestühl
    vertraut, unsäglich fein und kühl,
    Getön der dunklen Bratsche, Geigen
    vereinten sich zum stillen Reigen.

    Die Seelen sangen in den Sonnentag – – –

    – – –

    Die Sonnenblumen wachten auf und träumten
    in diese Melodie sich wiegend ein.
    Geheimnisvolle Flüsterworte säumten
    Euch Spielende in einen hohen Schein,

    und lauter Jubel war in Euren Augen.

    – – –

    Ist es nicht ein fernes, frohes Rufen,
    das voll Seligkeit zu uns herüber dringt?
    Wir lauschen trunken auf des Tempels Stufen,
    aus dem uns Euer Seelenlied umklingt –

    still aber saßen wir …

Herbstspruch
    Der Herbst ist Frucht
    aus langer Sonne.
    In seinem Sterben
    liegt das Leben.

Die Spatzen
    kratzen,
    was man ißt,
    aus dem Mist.

    Die Menschheit fischt
    auch im Trüben – –
    so ist nischt
    mehr nach geblieben!

Winter
    Jetzt hat der rote Briefkasten
    eine weiße Mütze auf,
    schief und verwegen.
    Mancher hat bei Glatteis
    plötzlich gelegen,
    der sonst so standhaft war.
    Aber der Schnee hat leis
    und wunderbar
    geblinkt auf den Tannenbäumen.
    Was wohl jetzt die Schmetterlinge träumen?

Die Ärmste
    Es war eine Eule,
    die flog im Traum
    mit schröcklichem Geheule
    gegen einen Baum.
    Jetzt sieht man die Eule
    nur noch kaum –
    vor lauter Beule!

Frühling
    Abendlich tönet Gesang ferner Glocken,
    lächelnd versinkt voll Frühling ein Tag.
    Über das eigene Lied scheu erschrocken,
    verstummte die Amsel mitten im Schlag.
    Und in dem Regen, der nun begann,
    fing leis’ die Erde zu atmen an.

Stille Stunde
    Wenn irgendwo
    ein Werk, ein Wort
    an unserer Seele Tiefen rührt –
    laßt uns zusammen schweigen.

    Wenn irgendwo
    ein Leid geschieht,
    und dünkt es dich zu schwer –
    laßt uns

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