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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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ein,
    weil es sich gewürdigt fand.

    II.

    Und das Land ist weit und ohne Eile,
    nur die Tage blättern seltsam schnell
    von dem Baum der Langeweile,
    monoton gewebt aus schwarz und hell.

    Ohne Anteil sieht die Kathedrale
    auf das Kommen und das Sterben
    ihrer Kinder, die das schmale
    Antlitz nur vor Spiegelscherben
    manchmal scheu verstehn:
    Rußland ist in schön und häßlich
    wunderbar und schwankend anzusehn –
    nur die Kathedrale steht verläßlich.

Zwischen den Schlachten
    Abend tropft mit blutigroter
    Tinte in den grauen Sumpf.
    In den Himmel ragt ein Toter,
    grausam groß und seltsam stumpf.

    Posten tasten leis: Parole?
    Nickend sickern die Konturen
    eines Pferdes – wie mit Kohle
    kühn skizziert – vor schweren Fuhren.

    Manchmal döst man Kleinigkeiten
    und das Herz läßt sich verwirren:
    Abendglocken hört man läuten
    in dem Lärm von Kochgeschirren.

Kinderlied
    Wo wohnt der liebe Gott?
    Im Graben, im Graben!
    Was macht er da?
    Er bringt den Fischlein ’s Schwimmen bei,
    damit sie auch was haben.

    Wo wohnt der liebe Gott?
    Im Stalle, im Stalle!
    Was macht er da?
    Er bringt dem Kalb das Springen bei,
    damit es niemals falle.

    Wo wohnt der liebe Gott?
    Im Fliederbusch am Rasen!
    Was macht er da?
    Er bringt ihm wohl das Duften bei
    für unsre Menschennasen.

Versuch es
    Stell dich mitten in den Regen,
    glaub an seinen Tropfensegen
    spinn dich in das Rauschen ein
    und versuche gut zu sein!

    Stell dich mitten in den Wind,
    glaub an ihn und sei ein Kind –
    laß den Sturm in dich hinein
    und versuche gut zu sein!

    Stell dich mitten in das Feuer,
    liebe dieses Ungeheuer
    in des Herzens rotem Wein –
    und versuche gut zu sein!

Gedicht
    Blume Anmut blüht so rot,
    Blume Huldvoll blaut daneben.
    Blume Anmut ist das Leben,
    Blume Huldvoll ist der Tod.

    Süß und herbe ist das Leben,
    herb die Lust und süß die Not.
    Blume Leben blüht so rot –
    Blume Tod blüht blau daneben.

Brief aus Rußland
    Man wird tierisch.
    Das macht die eisenhaltige
    Luft. Aber das faltige
    Herz fühlt manchmal noch lyrisch.
    Ein Stahlhelm im Morgensonnenschimmer.
    Ein Buchfink singt und der Helm rostet.
    Was wohl zu Hause ein Zimmer
    mit Bett und warm Wasser kostet?
    Wenn man nicht so müde wär!

    Aber die Beine sind schwer.
    Hast du noch ein Stück Brot?
    Morgen nehmen wir den Wald.
    Aber das Leben ist hier so tot.
    Selbst die Sterne sind fremd und kalt.
    Und die Häuser sind
    so zufällig gebaut.
    Nur manchmal siehst du ein Kind,
    das hat wunderbare Haut.

Der Mond lügt
    Moabit

    Der Mond malt ein groteskes Muster an die Mauer.
    Grotesk? Ein helles Viereck, kaum gebogen,
    von einer Anzahl dunkelgrauer
    und schmaler Linien durchzogen.
    Ein Fischernetz? Ein Spinngewebe?
    Doch ach, die Wimper zittert,
    wenn ich den Blick zum Fenster hebe:
    Es ist vergittert!

Der Vogel
    Du bist vom Wind erlöste Ackerkrume,
    du bist ein Kind von Fisch und Blume.
    Aus allem aufgehoben,
    bist du der Wunsch der Seele,
    daß sie im tollsten Toben
    sich nicht mehr quäle.
    Du bist vom Stern geboren
    in einer großen Nacht.
    Pan hat sein Herz verloren
    und dich daraus gemacht!

Am Fenster eines Wirtshauses beim Steinhuder Meer
    Auf dem Nachhausewege 1945

    Die Apfelblüten tun sich langsam zu
    beim Abendvers der süßen Vogelkehle.
    Die Frösche sammeln sich am Fuß des Stegs.
    Die Biene summt den Tag zur Ruh –
    nur meine Seele
    ist noch unterwegs.

    Die Straße sehnt sich nach der nahen Stadt,
    wo in der Nacht das Leben weiterglimmt,
    weil hier noch Herzen schlagen.
    Wer jetzt noch kein Zuhause hat,
    wenn ihn die Nacht gefangen nimmt,
    der muß noch lange fragen:

    Warum die Blumen leidlos sind –
    warum die Vögel niemals weinen –
    und ob der Mond wohl auch so müde ist –

    Und dann erbarmt sich leis ein Wind des einen,
    bis er – im Schlaf – die Welt vergißt.

Draußen
    Das macht das Fenster, daß wir «draußen» sagen –
    und weil wir selber drinnen sind.
    Nach draußen muß man schauernd fragen,
    denn draußen ist der Wind.

    Laternen stehn
    schon hundert schwarze Nächte –
    und abends, bald nach zehn,
    wenn mancher schlafen möchte,
    graut wohl die Straße blaß
    und schweigend aus der Flut
    von Seufzern, Stein und Glas.

    Nun ist es unser Blut,
    das so gewaltig rauscht –
    da hält der Wind im Tanz den Schritt,
    bleibt manchmal stehn,
    als ob er lauscht.
    Und die Laternen gehn
    noch lange durch die Träume mit.

Winterabend
    Der Nebel legt sich kühl und grau
    auf die Dinge, und nur Laternen
    und die weißen Hauben

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