Das Gesamtwerk
ein,
weil es sich gewürdigt fand.
II.
Und das Land ist weit und ohne Eile,
nur die Tage blättern seltsam schnell
von dem Baum der Langeweile,
monoton gewebt aus schwarz und hell.
Ohne Anteil sieht die Kathedrale
auf das Kommen und das Sterben
ihrer Kinder, die das schmale
Antlitz nur vor Spiegelscherben
manchmal scheu verstehn:
Rußland ist in schön und häßlich
wunderbar und schwankend anzusehn –
nur die Kathedrale steht verläßlich.
Zwischen den Schlachten
Abend tropft mit blutigroter
Tinte in den grauen Sumpf.
In den Himmel ragt ein Toter,
grausam groß und seltsam stumpf.
Posten tasten leis: Parole?
Nickend sickern die Konturen
eines Pferdes – wie mit Kohle
kühn skizziert – vor schweren Fuhren.
Manchmal döst man Kleinigkeiten
und das Herz läßt sich verwirren:
Abendglocken hört man läuten
in dem Lärm von Kochgeschirren.
Kinderlied
Wo wohnt der liebe Gott?
Im Graben, im Graben!
Was macht er da?
Er bringt den Fischlein ’s Schwimmen bei,
damit sie auch was haben.
Wo wohnt der liebe Gott?
Im Stalle, im Stalle!
Was macht er da?
Er bringt dem Kalb das Springen bei,
damit es niemals falle.
Wo wohnt der liebe Gott?
Im Fliederbusch am Rasen!
Was macht er da?
Er bringt ihm wohl das Duften bei
für unsre Menschennasen.
Versuch es
Stell dich mitten in den Regen,
glaub an seinen Tropfensegen
spinn dich in das Rauschen ein
und versuche gut zu sein!
Stell dich mitten in den Wind,
glaub an ihn und sei ein Kind –
laß den Sturm in dich hinein
und versuche gut zu sein!
Stell dich mitten in das Feuer,
liebe dieses Ungeheuer
in des Herzens rotem Wein –
und versuche gut zu sein!
Gedicht
Blume Anmut blüht so rot,
Blume Huldvoll blaut daneben.
Blume Anmut ist das Leben,
Blume Huldvoll ist der Tod.
Süß und herbe ist das Leben,
herb die Lust und süß die Not.
Blume Leben blüht so rot –
Blume Tod blüht blau daneben.
Brief aus Rußland
Man wird tierisch.
Das macht die eisenhaltige
Luft. Aber das faltige
Herz fühlt manchmal noch lyrisch.
Ein Stahlhelm im Morgensonnenschimmer.
Ein Buchfink singt und der Helm rostet.
Was wohl zu Hause ein Zimmer
mit Bett und warm Wasser kostet?
Wenn man nicht so müde wär!
Aber die Beine sind schwer.
Hast du noch ein Stück Brot?
Morgen nehmen wir den Wald.
Aber das Leben ist hier so tot.
Selbst die Sterne sind fremd und kalt.
Und die Häuser sind
so zufällig gebaut.
Nur manchmal siehst du ein Kind,
das hat wunderbare Haut.
Der Mond lügt
Moabit
Der Mond malt ein groteskes Muster an die Mauer.
Grotesk? Ein helles Viereck, kaum gebogen,
von einer Anzahl dunkelgrauer
und schmaler Linien durchzogen.
Ein Fischernetz? Ein Spinngewebe?
Doch ach, die Wimper zittert,
wenn ich den Blick zum Fenster hebe:
Es ist vergittert!
Der Vogel
Du bist vom Wind erlöste Ackerkrume,
du bist ein Kind von Fisch und Blume.
Aus allem aufgehoben,
bist du der Wunsch der Seele,
daß sie im tollsten Toben
sich nicht mehr quäle.
Du bist vom Stern geboren
in einer großen Nacht.
Pan hat sein Herz verloren
und dich daraus gemacht!
Am Fenster eines Wirtshauses beim Steinhuder Meer
Auf dem Nachhausewege 1945
Die Apfelblüten tun sich langsam zu
beim Abendvers der süßen Vogelkehle.
Die Frösche sammeln sich am Fuß des Stegs.
Die Biene summt den Tag zur Ruh –
nur meine Seele
ist noch unterwegs.
Die Straße sehnt sich nach der nahen Stadt,
wo in der Nacht das Leben weiterglimmt,
weil hier noch Herzen schlagen.
Wer jetzt noch kein Zuhause hat,
wenn ihn die Nacht gefangen nimmt,
der muß noch lange fragen:
Warum die Blumen leidlos sind –
warum die Vögel niemals weinen –
und ob der Mond wohl auch so müde ist –
Und dann erbarmt sich leis ein Wind des einen,
bis er – im Schlaf – die Welt vergißt.
Draußen
Das macht das Fenster, daß wir «draußen» sagen –
und weil wir selber drinnen sind.
Nach draußen muß man schauernd fragen,
denn draußen ist der Wind.
Laternen stehn
schon hundert schwarze Nächte –
und abends, bald nach zehn,
wenn mancher schlafen möchte,
graut wohl die Straße blaß
und schweigend aus der Flut
von Seufzern, Stein und Glas.
Nun ist es unser Blut,
das so gewaltig rauscht –
da hält der Wind im Tanz den Schritt,
bleibt manchmal stehn,
als ob er lauscht.
Und die Laternen gehn
noch lange durch die Träume mit.
Winterabend
Der Nebel legt sich kühl und grau
auf die Dinge, und nur Laternen
und die weißen Hauben
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