Das Gesamtwerk
Fieberanfälle und Gelbsucht.
Am 13. Oktober Auftritt im Kabarett-Programm
Janmaaten im Hafen.
Im November Regieassistent bei der Inszenierung von
Nathan der Weise
am Hamburger Schauspielhaus. Borcherts Gesundheitszustand lässt weitere Theaterarbeit nicht zu.
1946
Januar bis April Aufenthalt im Hamburger Elisabeth-Krankenhaus.Ab Ostern pflegen ihn die Eltern zu Hause.
Im Spätherbst entsteht in wenigen Tagen das Stück
Draußen vor der Tür.
Im Dezember erscheint die Ge dichtsammlung
Laterne, Nacht und Sterne.
1947
Am 13. Februar sendet der NWDR das Hörspiel
Draußen vor der Tür.
Im April erscheint der Prosaband
Die
Hundeblume.
Am 22. September Reise zur Genesung in die Schweiz; nach dem Grenzübertritt in Basel sofortige Einweisung ins St. Clara-Spital.
Wolfgang Borchert stirbt am 20. November um 9 Uhr im Spital. Am 21. November erfolgt die Uraufführung von
Draußen vor der Tür
an den Hamburger Kammerspielen. 24. November Trauerfeier und Einäscherung auf dem Hörnli-Friedhof in Basel; Beisetzung der Urne auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg am 17. Februar 1948.
Nachwort
Ein Mann kommt nach Deutschland. Er war lange weg, der junge Mann, und dies nicht freiwillig. Knapp 20, Schauspieler-Prüfung bestanden, aber nur drei Monate auf der Bühne in der Provinz gestanden, dann eingezogen zum Kriegsdienst und an die russische Front geschickt. Nach Verwundung der Hand Transport in ein Heimatlazarett, wegen des Verdachts auf Selbstverstümmelung vor Gericht gestellt. Freigesprochen, aber in Haft geblieben: Die Gestapo hat Briefe gefunden, deren Inhalt als «heimtückischer Angriff auf Staat und Partei» gewertet werden. Urteil: vier Monate Haft, abgewandelt in sechs Wochen verschärfte Haft mit anschließender Frontbewährung. Mit Erfrierungen ersten und zweiten Grades an beiden Füßen, Anfällen von Gelbsucht und Fleckfieber Einlieferung in ein Seuchenlazarett – eingestuft als «frontdienstuntauglich». Eine Goebbels-Parodie in der Kasernenstube bringt ihn erneut ins Gefängnis. Angeklagt wegen «Zersetzung der Wehrkraft», sitzt er neun Monate in Untersuchungshaft in Berlin-Moabit, wird verurteilt, erhält aber «Strafaufschub zwecks Feindbewährung» und muss wieder an die Front. Sie steht inzwischen im eigenen Land. In Frankfurt/Main kämpft er gegen die alliierten Truppen, gerät in französische Gefangenschaft, kann fliehen und schlägt sich zu Fuß in Nachtmärschen nach Hamburg durch, wo er am 10. Mai 1945 völlig entkräftet anlangt. Er will endlich ans Theater, bricht aber zusammen. Seine gesundheitliche Verfassung lässt nicht zu, wieder auf der Bühne zu stehen. Ans Bett gefesselt, schreibt er Kurzgeschichten und ein Theaterstück, die er an Zeitungen und an den Rundfunk schickt.
«Ein Mann kommt nach Deutschland. Er war lange weg, der Mann. Sehr lange. Vielleicht zu lange. Und er kommtganz anders wieder, als er wegging.» Am 13. Februar 1947 sendet der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) das Stück als Hörspiel. Der Autor kann es selbst nicht hören, denn wegen Kohlemangels herrscht in seinem Stadtteil Stromsperre. «Und nachdem er nun tausend Nächte draußen in der Kälte gewartet hat, kommt er endlich doch noch nach Hause.» Das Hörspiel hatte eine heute kaum noch vorstellbare Resonanz. «Das war ‹unser› Autor», erinnert sich Helmut M. Braem. «Er hatte etwas ausgesprochen, was wir empfanden, aber nicht zu formulieren verstanden. Und wir, die aus dem Krieg heimgekehrten Beckmänner, haben geweint vor dem Lautsprecher eines aus den Trümmern geretteten ‹Volksempfängers›.» Wie ihm erging es vielen, die «Draußen vor der Tür» im Radio hörten. Eine Flut von Briefen und Karten traf beim Sender ein. «Ihr Hörspiel hat mich sehr erschüttert, und doch konnte ich nicht weinen.» Ähnlich emotional betroffen und erregt waren alle Reaktionen, auch wenn manche in dem Stück eine Zumutung sahen, vor der man sie doch lieber verschonen möge. «Können Sie sich denn nicht vorstellen, wie diese Hörspiele unsere Seelen aufwühlen, gerade weil sie so grausam wahr sind?» Fast alle Hörer zwang die Sendung zu Stellungnahmen, die Geständnissen gleichkamen. Ein anonym bleibender «Ostfrontkämpfer» empfahl, «den irrsinnigen Borchert zum Ruhrbergbau zu melden», während andere sich mit dem Schicksal Beckmanns identifizierten: «Als Krückenmann sage ich auf diesem Wege dem Verfasser des Hörspiels meinen besten Dank.» Das Stück wurde bereits im nächsten Monat wiederholt, von anderen
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