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Das Gesamtwerk

Das Gesamtwerk

Titel: Das Gesamtwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Borchert
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eingebrochen.
    Einen ganzen Satz, Mozart, nicht so schüchtern, reden Sie ruhig in ganzen Sätzen. Also?
    Ich habe elfmal eingebrochen.
    So ist schön, Mozart, so ist in Ordnung. Sonst war wohl nichts mehr, nicht, Mozart, das war wohl alles?
    Nein, Herr Unterfeldwebel.
    Ach, noch mehr, Mozart, noch mehr? Was denn noch?
    Die alte Frau –
    Was denn, Mozart, was war denn mit der?
    Ich hab sie umgeschubst.
    Umgeschubst, Mozart?
    Gestoßen.
    Ach so. Na, und da? Erzählen Sie Ihren Kollegen doch. Die interessiert das. Die sind schon ganz stumm geworden vor Spannung. Die sind schon ganz platt. Los, Mozartchen, was war denn mit der alten Oma?
    Sie ist gestorben. Mozart sagte das ganz leise. Noch viel leiser. Beinahe nur: Ge – storben. Er war sehr verlegen. Dann sah er den Unterfeldwebel an. Der machte sich gerade. Haben Sie Ihre Klamotten?
    Jawohl.
    Wie heißt das?
    Jawohl, Herr Unterfeldwebel.
    Dann nehmen Sie Haltung an.
    Mozart legte die Hände an die Hosennaht. Der Unterfeldwebel auch. Dann sagte er:
    Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich bei Fluchtversuch von der Schußwaffe Gebrauch machen muß. Seine Pistolentasche stand schon offen. Genau wie montags beimRasieren. Los, kommandierte er. Mozart wollte uns die Hand geben. Aber dann war er doch zu verlegen. Er war eigentlich immer etwas verlegen gewesen. Er war auch nur ein kleines, zartes Kerlchen. Er hatte einen Hals wie ein Backfisch. Manchmal hatte er abends gesungen. Wenn es dunkel war. Wenn es hell war, war er zu verlegen. Er war Friseur. Er hatte Kinderhände. Er liebte Jazzmusik. Er machte stundenlang Jazzmusik mit unseren Löffeln auf seinem Eßnapf. Bis wir ihn Mozart nannten.
    Er stand in der Zellentür. Er drehte sich noch um, obgleich er sehr verlegen war. Sein Backfischhals war ganz rot vor Verlegenheit.
    Dein Hemd, sagte ich.
    Mein Hemd? Er lächelte uns durch den Dunst unserer Paprikasuppe an. Ich hab doch Halsschmerzen, sagte er. Und dann machte er mit seinem Zeigefinger einen Halbkreis an seinem Uniformkragen entlang. Über den Kehlkopf. Von links nach rechts. Dann schloß Truttner die Tür ab.
    Als wir abends unseren Abortkübel rausstellten, fand der Unterfeldwebel unser Mittagessen da drin. Das konnte er nicht begreifen.

Das Känguruh
    Morgen. Die Posten dösten. Ihre Decken waren noch naß von der Nacht. Einer lag lang auf der Erde und schlug mit den Füßen den Takt:
    Es war einmal ein Känguruh
    das nähte sich den Beutel zu
    mit einer Nagelfeile
    aus lauter Langeweile
    aus lauter Langeweile
    aus lauter –
    Sei mal still, sagte der andere. Er blieb plötzlich stehen.
    – aus lauter Langeweile
    aus lauter –
    Sei doch mal still.
    Was ist denn los? Der auf der Erde lag, drehte sich zu ihm um.
    Da kommen welche.
    Wer?
    Weiß nicht. Man sieht ja nichts. Es wird heute überhaupt nicht hell.
    Es war einmal ein Känguruh
    das nähte – na, siehst du was?
    Ja, sie kommen.
    Wo? Ach, Weiber! – das nähte sich den Beutel zu –
    Du, das sind die beiden, die heute nacht beim Alten waren.
    Die gestern abend aus der Stadt gekommen sind?
    Ja, die.
    Na Mensch. Der Alte hat vielleicht einen Geschmack. Die Große ist ein ganz gewaltiger Besen, sag ich dir.
    Find ich nicht. Sie sieht doch ganz ordentlich aus.
    Nee, du. Weißt du, so – so. Nee. Kuck dir bloß die Beine an.
    Vielleicht hat er die Kleine gehabt.
    Nee. Die ist nur so mitgekommen. Er hat die Große gehabt.
    Junge, die Beine.
    Wieso! sind doch ganz ordentlich.
    Nee. Du. So – so – nee!
    Versteh ich nicht vom Alten.
    Was? Besoffen war er. Was sonst. Kannst ihm ne alte Kuh hinstellen, wenn er besoffen ist. Kuck dir bloß die Beine an. Junge, ist das ein Besen. Muß der Alte wieder einen in der Krone gehabt haben, meine Güte. Na, und dann von gestern abend an.
    Ich danke.
    Ich auch.
    Sie wickelten sich wieder in ihre Decken. Die waren noch naß von der Nacht. Der an der Erde lag, schlug mit den Füßen den Takt:
    Es war einmal ein Känguruh
    das nähte sich den Beutel zu
    das nähte
    das nähte –
    Er hatte kalte Füße und schlug mit den Füßen den Takt:
    das nähte
    das nähte – – –
    Abend. Die Decken waren noch naß. Von der Nacht. Sie dösten. Und der eine schlug mit den Füßen den Takt:
    Es war einmal ein Känguruh
    das nähte –
    Du.
    Hm?
    Sei mal still.
    Warum?
    Sie kommen.
    Sie kommen? Er stand auf. Die Decken fielen auf die Erde.
    Ja, sie kommen. Sie tragen ihn.
    Ja. Acht Mann.
    Du.
    Hm?
    Sag mal, der Alte ist ja so klein. Oder kommt das, weil sie ihn tragen?
    Nee, sie

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