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Das Geschenk der Sterne

Das Geschenk der Sterne

Titel: Das Geschenk der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kruppa
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noch nicht entschieden.«
    »Falls die Liebe deine Bestimmung ist, wird sie deiner Hoffnung Kraft geben«, sagte Tschuang Tse. »Wenn die Bestimmung eines Menschen so stark ist, daß er sein Leben verfehlen würde, wenn er ihr nicht folgte, dann schenkt sie ihm auch den Mut und die Kraft, seine Berufung zu verwirklichen, selbst wenn der Weg dorthin durch das Feuer der Angst führt.«
    »Was ist deine Berufung, Tschuang Tse?«
    »Meine Berufung ist es, im Tao zu leben.«
    »Ist es möglich, das Tao auf dem Weg der Liebe zu finden?«
    »Viele Wege führen zum Tao, Yu Lin. Die Liebe ist einer von ihnen, weil in tiefer Liebe sich das Ich auflöst wie Salz im Wasser. Das Ich ist das größte Hindernis auf dem Weg zum Tao. Je kleiner das Ich wird, desto leichter ist es, sich dem Tao zu nähern. Wenn das Ich ganz verschwunden ist, weil das Salz sich so sehr im Wasser aufgelöst hat, daß es sich selbst nicht mehr als Salz wahrnimmt, dann wird es möglich, das Tao zu erkennen und sich mit ihm zu vereinen.«

DAS ICH IST NIE ZUFRIEDEN

    Erneut empfand Min Teng Bewunderung für die Mühelosigkeit, mit der es Tschuang Tse immer aufs neue gelang, seine Worte so zu wählen, daß sie unmittelbaren Einlaß in die Seele seiner Zuhörer fanden. Ein kurzer Blick auf Yu Lins Gesicht überzeugte ihn davon, daß auch sie von dem Zauber gebannt war, der aus Tschuang Tses Worten strömte.
    »Was ist das Ich?« fragte Min Teng, nachdem er eine Weile über Tschuang Tses Antwort nachgedacht hatte.
    »Das Ich ist das, wofür ein Mensch sich hält, ohne es wirklich zu sein. Es ist ein falsches Bild, das er sich von sich selbst gemacht hat. Ein Irrtum, den er hegt und pflegt. Die meisten Menschen sind regelrecht in ihr Ich vernarrt und immerzu darum bemüht, es zu verschönern, zu verstärken, zu vergrößern. Der reiche Kaufmann, vor dem Yu Lin flüchtet, ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Er schuftet von früh bis spät, um seinen Besitz und
seine Macht zu erweitern. Er hält sich für einen großen Mann, doch groß ist nur sein Ich, sein Trugbild von sich selbst. Nähme das Schicksal ihm von heute auf morgen seinen Besitz und seine Macht, würde er sich so unwichtig fühlen, wie er im Grunde ist.«
    »Woran erkennt man das Ich eines Menschen?« wandte sich Yu Lin an Tschuang Tse, »und worin unterscheidet es sich von seinem wahren Wesen?«
    »Man erkennt das Ich an seiner Unersättlichkeit. Das Ich ist nie zufrieden. Es will immer mehr von dem, was es hat, um immer größer, immer stärker, immer wichtiger zu werden. Es strebt unentwegt danach, das Ich der anderen Menschen zu übertreffen. Das Ich eines Ringkämpfers sehnt sich danach, der beste Ringkämpfer unter dem Himmel zu sein. Das Ich eines Kaufmanns bemüht sich darum, der reichste Kaufmann der ganzen Stadt zu sein. Das Ich einer schönen Frau strebt danach, die schönste Frau weit und breit zu sein. Das Ich sucht unentwegt den Vergleich, den Wettstreit, und je schwieriger der Kampf ist, desto größer ist die Befriedigung für das Ich, wenn es ihn gewinnt. Es kann sich nicht mit dem begnügen, was es erreicht hat, und setzt sich immer neue Ziele, die es erreichen will. Stets ist es ruhelos, zur ständigen Tätigkeit verurteilt. Weil das Ich ganz tief innen seine wahre Bedeutungslosigkeit erahnt, betäubt es diese Ahnung unentwegt mit immer neuen Beweisen seiner Herrlichkeit. Im Grunde ist das Ich ein bemitleidenswerter Sklave seines unstillbaren Hungers nach Ruhm, Erfolg und Macht. Das wahre Wesen eines Menschen ist
völlig mit dem zufrieden, was es ist. Es genügt sich selbst. Reichtum, Geltung, Bestätigung bedeuten ihm nichts. In sich selbst ruhend, ist es unabhängig von äußerem Lob und Tadel und lebt in Frieden und Freiheit.«
    »Warum lieben die Menschen dann ihr falsches Bild von sich selbst, anstatt nach ihrem wahren Wesen zu suchen?«
    »Weil sie, wie ich schon sagte, in tiefer Verwirrung leben, Min Teng, und im dichten Nebel ihrer Wirrnis das Falsche für das Wahre halten, das Obere für das Untere und das Wertlose für das Kostbare. Zur Unfreiheit verdammt, sind sie wie mit Stricken gefesselt, gefangen in ihren ruhelosen Geschäften und leeren Gewohnheiten. Unablässig Unbedeutendes bewirkend, zehren sie sich täglich immer mehr aus. Sie verfolgen unwesentliche Ziele, streben danach mit hartnäckigem Eifer und versinken schließlich in ihren Handlungen wie in einem Sumpf, so daß eine Umkehr für sie unmöglich wird. Und ist das Herz dann dem Tod nahe, läßt es

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