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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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wusch ihm die Füße, trocknete sie mit einem makellos weißen Leinentuch ab und begann den ersten Fuß des Kaufmanns mit einer nach Lotos und Jasmin duftenden Salbe vorsichtig zu massieren, während Senbi vor sich hinbrütete.
    Dieser Ibiranu wollte sich einfach nicht umstimmen lassen. Anstatt sich mit ihm zu arrangieren und Senbis großzügigen Geschenke anzunehmen, hatte er die Frechheit besessen, ihn von den Hafenarbeitern regelrecht fortjagen zu lassen. Gleichzeitig aber hatte er ihm die einzige Lösung seines Problems aufgezeigt, wie er den Syrer loswerden konnte.
    Ibiranu musste sterben!
    Aber wie?
    Es durfte ihn niemand mit diesem Mord in Verbindung bringen, und das war in Anbetracht der Tatsache, dass es zwischen ihm und Ibiranu Unstimmigkeiten gegeben hatte, gar nicht so leicht. In ganz Theben war bekannt, dass seine Holzlieferung zu spät eingetroffen und Ibiranu als Ersatz eingesprungen war. Auf der anderen Seite genoss Senbi als Kaufmann syrischer Abstammung einen ausgezeichneten Ruf. Er galt als vornehmer Mann, der die Gesetze des Landes Kemi achtete und dem Charaktereigenschaften wie Neid, Hass, Gier und Missgunst fremd waren. Stets höflich und zuvorkommend, hatte er es über all die Jahre weit gebracht. Inzwischen kaufte fast die gesamte memphitische und thebanische Gesellschaft bei ihm edle Stoffe und Vasen aus Syrien und Babylonien. Selbst der Königshof in Per-Ramses kam an seinen Waren nicht vorbei. Zu Senbis vornehmsten Kunden zählten der Wesir sowie eine Prinzessin aus königlichem Geblüt. Keiner ahnte indes, was hinter den Mauern seines Anwesens in einem der vornehmsten Viertel von Theben vor sich ging. Warum also sollte irgendjemand ihn mit dem überraschenden Tod des Holzhändlers in Verbindung bringen?
    Gedankenverloren stützte sich der Kaufmann mit dem rechten Ellenbogen auf die Lehne seines kunstvoll gearbeiteten Stuhls und starrte teilnahmslos auf die Dienerin zu seinen Füßen. Sie war gerade mit der Massage des ersten Fußes fertiggeworden und widmete sich nun dem zweiten.
    Angewidert bemerkte Senbi, wie sich eine Laus in ihren roten Locken tummelte.
    »Du könntest dich mal wieder waschen«, fuhr er sie barsch an. »Du siehst ja verdreckter aus als eines der Freudenmädchen aus dem Hafenviertel von Byblos.« Angeekelt stieß er Satra den Fuß in den Brustkorb, sodass sie mit einem Aufschrei nach hinten auf den Rücken fiel und jammernd liegen blieb. »Dass man euch Barbaren immer erst noch beibringen muss, was Sauberkeit ist«, fluchte er. »Los steh auf und räume das weg!« Er hatte sich erhoben, war neben die am Boden Liegende getreten und stieß sie mit der Fußspitze an. »Mach schon, Satra. Hab dich nicht so zimperlich, sonst bekommst du die Peitsche zu spüren. Dann hast du wenigstens einen Grund zum Jammern.«
    Schleunigst kam die Dienerin auf die Knie und kroch zu der Schale und dem daneben liegenden Handtuch. Sie nahm beides auf, klemmte sich das Salbgefäß in die Armbeuge und verließ eilends das Gemach ihres Herrn.
    »Und geh dich baden«, rief Senbi ihr hinterher. »Vielleicht habe ich oder einer meiner Leute heute noch Lust auf dich.« Er lachte rau. »Vielleicht haben wir ja alle Lust auf dich.«
    Am ganzen Körper vor Schmerz und Ekel zitternd, verschwand die Frau im Flur.
    Senbi hingegen setzte sich wieder und hing seinen Racheplänen nach.
    Auch wenn er ein angesehener Händler war, würde man mit ziemlicher Sicherheit zuerst bei ihm nachforschen, käme Ibiranu in nächster Zeit auf unnatürliche Weise zu Tode. Wenn es aber nicht wie ein Mord, sondern wie ein tragischer Unfall oder ein natürlicher Tod aussähe, wäre das sicher etwas anderes. Wie aber sollte er das anstellen?
    Nachdenklich strich er sich mit Zeigefinger und Daumen über seinen schwarzen Kinnbart.
    Ein Windhauch bewegte die zarten, beinahe durchscheinenden Vorhänge im Bereich der Säulen, die das Vordach zum Außenbereich stützten, und trug den lieblichen Geruch von Blumen in die Halle. Es roch nach Rosen und Lilien und – nach Oleander.
    Gift!, durchfuhr es Senbi, als ihm der schwere süßliche Duft der Oleanderblüten in die Nase drang.
    Genau das war es, was er brauchte, ein verzögernd wirkendes Gift, welches Ibiranu langsam sterben lassen würde, ohne dass jemand auf die Idee käme, dass er ermordet worden war.
    Zufrieden rieb sich Senbi die Hände.
    Die Beschaffung eines geeigneten Giftes war sicher nicht einfach, auf keinen Fall aber unmöglich. Es gab genügend zwielichtige Gestalten

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