Das Geschenk des Osiris
Pharaonen gefreut. Ein lang gehegter Traum sollte für sie dieses Jahr in Erfüllung gehen. Dann war sie bei der Besichtigung von Abu Simbel gestolpert, gefallen und hatte das Bewusstsein verloren. Noch immer hoffte sie, dass sie irgendwann aufwachen würde und der Spuk zu Ende sei.
Vergiss es!
, wisperte eine Stimme in ihr.
Finde dich damit ab, dass du nicht träumst.
Mit ausgedörrter Kehle hatte sie sich bis zum Ufer des Nil geschleppt und hatte mit seinem Wasser ihren Durst gestillt, obwohl sie nicht wusste, ob es ihrem Magen gut bekommen würde. Dann waren Raja und Abischemu aufgetaucht und hatten sie einfach verschleppt. Ihr persönlicher Albtraum hatte begonnen. Das Seltsamste war, dass sie die ihr bis dahin nicht geläufige Sprache der Kemiter plötzlich fließend sprach und auch ihre Schrift perfekt beherrschte. Mehr als einmal hatte Satra, deren richtiger Name Sarah war, all ihren Mut zusammengenommen, um mit Senbi darüber zu reden, doch irgendwie hatte sie es nicht vermocht. Es war, als sollte es niemand erfahren.
Sie rieb ihren Körper mit Natron und einer Paste aus Asche und Ton ab, dabei immer darauf bedacht, die Stellen, an denen sie die Male der Misshandlungen trug, nicht zu berühren. Anschließend entnahm sie einem kleinen Gefäß eine einigermaßen wohlriechende Salbe, die sie sich auf den Körper auftrug. Das und die Benutzung des herrschaftlichen Badehauses waren der einzige Luxus, den sie gegenüber den anderen Bediensteten genoss. Senbi konnte es nicht ertragen, den ganzen Tag den Gestank von Rindertalg oder einem anderen billigen Salböl in der Nase zu haben. Da es ihr verboten war, das Haus zu verlassen, konnte sie nicht das für die Dienerschaft vorgesehene Badehaus benutzen. Somit kam sie in den Genuss, sich in dem für die seltenen Gäste des Kaufmanns waschen zu dürfen.
Warum nur isoliert er mich so?
Diese Frage hatte sie sich schon vom ersten Tag an gestellt. Selbst die Dienerin Sitsobek und ihr Sohn Piay durften sich auf dem Anwesen frei bewegen, dieses sogar mit Senbis Erlaubnis verlassen. Beide waren jedoch zu eingeschüchtert, um sich nach Hilfe umzusehen. Und Amunmose, der Haushofmeister, würde ebenfalls den Mund nicht aufmachen. Viel zu viel Angst hatte selbst er vor Senbi und seinen Schergen.
Sie war gerade mit dem Salben ihrer Haut fertig geworden, als der halbwüchsige Badediener in das Badehaus gestürzt kam.
»Du sollst sofort zum Gebieter kommen«, rief er, und sie zuckte unmerklich zusammen.
»Ja, ist gut.«
Sie band sich ihr Lendentuch um die Mitte und lief schnell zur großen Halle. Senbi warten zu lassen, konnte schmerzhafte Folgen nach sich ziehen. Am Eingang zog sie ihre spärliche Kleidung zurecht und trat mit gesenktem Haupt und einem unguten Gefühl in der Magengegend ein, nachdem Amunmose sie dem Gebieter gemeldet hatte.
Der Kaufmann saß noch immer auf seinem Stuhl und hatte sich in der Zwischenzeit Wein und Gebäck bringen lassen.
»Komm her, Satra!«, befahl er in einem für ihn überaus gemäßigten Tonfall, und sie trat auf ihn zu und kniete zu seinen Füßen nieder. »Hebe deinen Kopf!«
Satra gehorchte und hob mit demütig gesenkten Augen langsam ihr Gesicht dem ihres Peinigers entgegen.
Senbi packte sie am Kinn und drehte ihren Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung und taxierte sie genau.
»Es könnte klappen!«, murmelte er kaum hörbar als Fazit seiner Begutachtung.
Senbi stellte sich Satra ordentlich frisiert und geschminkt, in einem sauberen Kleid und mit ein wenig Schmuck behängt vor und musste gestehen, dass sie eigentlich recht hübsch und ansehnlich war.
Er ließ ihr Kinn wieder los.
»Würdest du gerne deine Freiheit wiedererlangen?«
Völlig überrascht riss Satra die Augen auf und sah ihn an.
Sie hat grüne Augen! Senbi bemerkte das heute zum ersten Mal.
»Verzeih, mein Gebieter.« Schuldbewusst senkte sie erneut den Blick.
»Beantworte meine Frage! Willst du deine Freiheit zurück?«
Satra schluckte. Ihr steckte ein riesiger Kloß im Hals. »Was muss ich dafür tun?«, beantwortete sie Senbis Frage mit einer Gegenfrage, und Senbi horchte auf.
Sieh einer an, dachte er leicht irritiert. Diese kleine Schlange ist gar nicht so dumm, wie ich immer angenommen habe. War es womöglich ein Fehler, dass ich sie auserwählt habe?
Nein, das glaubte er nicht. Würde sie sich weigern, würde er sie töten lassen. Gleiches stand ihr nach getaner Arbeit zwar auch bevor, aber das würde er ihr natürlich nicht sagen.
Und
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