Das Geschenk des Osiris
Priesterschaft und den sonstigen Bediensteten. Ich ließ die Wachen des Tempels durch die Deiner Majestät ersetzen und verbot einem jeden, den Bereich des Tempels ohne meine persönliche Erlaubnis zu verlassen. Anschließend befahl ich Djefahapi vor mein Richteramt, um ihn zu verhören. Er war erbost über die Art und Weise, wie ich im Namen Deiner Majestät das Haus des Großen Gottes Osiris in Besitz genommen hatte. Als ich ihn mit den Beschuldigungen, die gegen ihn vorlagen, konfrontierte, stritt er alles ab. Er war der Meinung, dass er gegen kein Gesetz verstoßen habe, und wollte wissen, wer ihn derart verunglimpfen wolle. Ich zeigte ihm den Brief des Steinmetzen, doch auch das konnte ihn nicht zu einer Aussage und zu einem Eingeständnis seiner Schuld bewegen. Ich beließ es fürs Erste dabei und wollte den Schatzmeister verhören, doch dieser lag schwer erkrankt darnieder, sodass ich von einer Befragung an diesem Abend Abstand nahm.« Der Wesir setzte eine bekümmerte Miene auf. »Am nächsten Morgen meldete mir der Wachhabende, dass Djefahapi tot sei. Er hatte sich in der Nacht das Leben genommen.«
»Was einem Eingeständnis seiner Schuld gleichkommt«, stellte Itiamun fest, und der Wesir bejahte und fuhr mit seiner Berichterstattung fort.
»Die von mir beauftragten Beamten fanden auf Djefahapis Landgut in der Nähe von Memphis allerhand Baumaterialien, die für den Tempel Deiner Majestät bestimmt waren. Auch konnten wir nachweisen, dass der Oberpriester seit Jahren zur Aussaat und zur Ernte die Leibeigenen des Tempels an reiche Beamte rund um Abydos verlieh und damit ein riesiges Vermögen angehäuft hat. Es wurde beschlagnahmt und dem Schatzhaus des Tempels übereignet.«
»Und das ist in all den Jahren niemanden aufgefallen?« Der Prinz klang zornig. »Ich mag ja glauben, dass ein kleiner Wab-Priester von alledem keine Ahnung hatte, aber auch der hätte mitbekommen müssen, dass zu bestimmten Zeiten die Anzahl der Bediensteten rapide schrumpft.«
»Genau die gleiche Frage habe auch ich gestellt. Die von mir Befragten versicherten mir jedoch glaubhaft, dass man ihnen gesagt habe, die Leibeigenen seien auf die Domänen des Gottes geschickt worden, um dort zu helfen.«
Der König, der bisher schweigend zugehört hatte, knurrte: »Was, auch die oberste Priesterschaft?« Er lachte zornig. »Wenn dem so ist, werde ich sie wegen Unfähigkeit komplett absetzen müssen und durch fähigere Priester ersetzen.« Er gab Nehi mit einer Handbewegung zu verstehen, mit seinem Bericht fortzufahren.
»Am folgenden Tag verhörte ich den Schatzmeister. Dieser vertraute mir an, dass er der Schreiber des Briefes sei.«
»Was, Ipuwer hat das Schreiben verfasst?« Itiamun war einigermaßen überrascht.
»Ja, Majestät, er sagte, er hätte aus Angst vor Djefahapi dieses Schreiben anonym verfasst. Nun aber, da Djefahapi sich selbst gerichtet habe, könne er es getrost eingestehen. Ipuwer gestand, dass Djefahapi ihn in seine Pläne eingeweiht habe, er von all dem aber nichts hatte wissen wollen und sich geweigert hat, an solch unlauteren Machenschaften beteiligt zu sein. Daraufhin soll ihm der Oberpriester mit dem Tod gedroht haben, sollte Ipuwer irgendjemand von seinen Plänen erzählen.«
»Eine Morddrohung durch den Oberpriester?« Ramses war außer sich vor Zorn. »Kann man Ipuwer Glauben schenken?«
»Ja, Majestät. Anfangs erschien es auch mir abwegig, doch im Laufe der Befragungen sowohl unter der oberen als auch der niederen Priesterschaft musste ich feststellen, dass der Oberpriester beinahe tyrannisch über den Tempel und seine Untergebenen geherrscht haben muss. Bis auf die oberen Priesterränge war niemand vor seinem Zorn sicher. Es kam recht häufig vor, dass er einen Wab-Priester wegen des geringsten Vergehens mit Stockhieben bestrafen ließ, obwohl Priester von einer derartigen Züchtigung befreit sind. Auch kam mir zu Ohren, dass vor beinahe acht Jahren ein junger Priester auf mysteriöse Weise verschwand, der sich gegen diese Behandlung aufzulehnen wagte. Die ganze Angelegenheit wurde totgeschwiegen, und es gab keine Nachforschungen. Ich selbst habe versucht, darüber etwas in Erfahrung zu bringen, aber nach so langer Zeit konnte ich keine Hinweise mehr finden. Und Djefahapi ist nicht mehr am Leben.«
»Also gut«, wandte Itiamun ein, »das sind reine Mutmaßungen. Ohne Beweise kann man Djefahapi nicht die Schuld dafür geben.« Er blickte zu seinem Vater, ob dieser noch etwas zu der Sache zu sagen
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