Das Geschenk des Osiris
kleiner Prinz wurde geboren.
Itiamun war glücklich, dass seine Gemahlinnen die Niederkunft problemlos überstanden hatten. Für Isis war es bereits die fünfte, für Tani die erste.
»Bist du stolz auf mich, Majestät?«, fragte Tani, als Itiamun sie besuchen kam. »Ich habe dir einen Sohn geschenkt, wie du es wolltest.« Sie lächelte ihn an, und er strich ihr liebevoll übers Haar.
»Ich hätte mich auch über eine Prinzessin gefreut, meine Kleine.«
Beleidigt entzog sie ihm ihren Kopf. »Ich bin nicht deine Kleine. Ich bin sechzehn Jahre alt und deine Gemahlin, Majestät, und nun bin ich die Mutter deines Sohns.« Sie starrte ihn mürrisch an, und ihre Augen blitzten, sodass Itiamun schmunzeln musste.
»Du hast ja recht, Tani. Ich werde mich bemühen, das nicht mehr zu vergessen.« Er gab ihr einen liebevollen Kuss und streichelte sanft über das Köpfchen seines Sohns. »Ich muss wieder fort. Ramses erwartet mich.«
Itiamun besaß als zukünftiger Pharao ein Recht auf mehrere Gemahlinnen, hatte davon aber bisher keinen Gebrauch gemacht. Er war mit Isis vermählt, seiner Halbschwester, die zusammen mit ihrem Bruder nach dem Tod der Mutter zusammen mit den Kindern der Großen Königlichen Gemahlin Nubchesbed aufgewachsen war. Sie hatten sich schon als Kinder gemocht und später geheiratet. Aus ihrer Vereinigung waren eine Tochter sowie vier Söhne hervorgegangen. Itiamun hatte gemeint, dass er damit seiner Pflicht Genüge getan hätte und seine Thronfolge gesichert wäre.
Sowohl sein Vater als auch seine Mutter waren anderer Ansicht.
»Wenn du deiner Gemahlin keine weitere Schwangerschaft zumuten willst«, hatte ihn Ramses ermahnt, »dann suche dir endlich ein paar Nebengemahlinnen. Es wimmelt am Hof und in deinem Harim von schönen jungen Mädchen. Hole ein paar von ihnen in dein Bett, zeuge mit ihnen viele Kinder und sichere so die Zukunft unserer Dynastie.«
Doch danach stand Itiamun erst recht nicht der Sinn, bis er Tani kennenlernte, die jüngere Tochter des Wesirs.
Ihr Vater war bescheiden im Hintergrund geblieben. Es ziemte sich nicht, mit dem Einheiraten der Tochter in die königliche Familie zu prahlen. Trotzdem war dem gesamten Hof bewusst, welche Ehre Nehi zuteil geworden war. Immerhin hatte dieser nun schon die zweite Tochter mit einem Prinzen aus königlichem Geblüt vermählt. Prinz Sethi hatte bereits acht Jahre zuvor Nehis ältere Tochter geehelicht, die ein paar Monate nach der Geburt ihres ersten Kindes starb.
Ein Diener näherte sich dem Prinzen und teilte ihm mit, dass der König ihn in seinen privaten Audienzräumen erwartete.
Itiamun sputete sich und verließ den Teil seines Palastbereichs, der die Frauengemächer beherbergte, überquerte den Hof und betrat das
Per-aa
, das Große Haus seines Vaters. Rechter Hand der Küchen lagen die Audienzräume, wo der Herr der Beiden Länder seine Ratgeber und die Boten fremdländischer Herrscher empfing, wenn er das nicht im Thronsaal vor den Augen und Ohren der Höflinge erledigen wollte.
Er schritt an den Wachen vorbei und erwiderte ihren Gruß mit einem leichten Nicken. Der überdachte Laubengang wurde auf der einen Seite von den Empfangsräumen und den Schreibstuben der königlichen Beamten und deren Gehilfen gesäumt, während er zur anderen Seite den Blick freigab auf den liebevoll gepflegten Garten. Es gab dort Tamarisken und Sykomoren, Rosen und Oleanderbüsche sowie einen kleinen, künstlich angelegten See mit Lotosblumen, Fischen und Enten. Für all diese Pracht hatte Itiamun heute keinen Blick. Sein Vater erwartete ihn; er musste sich beeilen.
Als er den Audienzsaal betrat, verneigten sich der Wesir und der Oberste königliche Schreiber, der zu Füßen des Königs Platz genommen hatte. Itiamun machte seinen Kniefall vor Ramses und setzte sich auf den freien Sessel zu seiner Rechten. Er warf einen kurzen Seitenblick auf seinen Vater und stellte befriedigt fest, dass diesem die von seinem Leibarzt auferlegte Ruhe gut bekommen war. Dann blickte er erwartungsvoll zum Wesir, der tags zuvor aus Abydos zurückgekommen war.
»Ich erwarte deinen Bericht«, hob Ramses an und sah seinem höchsten Würdenträger fest in die Augen.
»Majestät, zu meinem Bedauern muss ich dir mitteilen, dass wir im Tempel des Osiris alles so vorfanden, wie es in dem Schreiben berichtet wurde. Nach meinem Eintreffen habe ich sofort alle Archive, Speicher und Lagerhäuser versiegeln lassen und unter strenge Bewachung gestellt. Gleiches geschah mit der
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