Das Geschenk des Osiris
Erden dem Ende entgegengeht und dass mein göttlicher Vater mich zu sich ruft. Also treffe du die Entscheidung, und treffe sie wohl überlegt.«
Itiamun schnürte es bei diesen Worten die Kehle zu, aber er durfte sich nicht widersetzen. Es hatte nicht der Vater zum Sohn, sondern der Pharao zum Mitregenten gesprochen, und die Worte des Königs waren keine Wünsche, sondern göttliche Befehle.
Ergeben neigte er den Kopf. »Ich werde tun, was du befiehlst.«
FÜNF
Ganz Theben war auf den Beinen, um die Geburt der beiden königlichen Kinder des Mitregenten zu feiern. Völlig überraschend hatte drei Tage zuvor der Palast bekannt gegeben, dass ein Fest stattfinden würde, welches den Thebanern einen zusätzlichen freien Tag bescheren sollte sowie Essen und Trinken im Überfluss.
Noch bevor Re in seiner Barke über den Horizont gefahren kam, fanden sich die ersten Schaulustigen an der langen Prozessionsstraße ein, die den Tempel des Großen Gottes Amun mit dem südlichen Tempel seiner Gemahlin, der Göttin Mut, verband, und von wo aus eine breite, ebenfalls mit Sphingen gesäumte Prachtstraße zum Palastbezirk führte. Je höher Re in seiner Barke am Himmel stieg, desto mehr Menschen fanden sich ein. Vom einfachen Bauern über die Hafenarbeiter, Handwerker und Markthändler bis hin zu den reichen Kaufleuten und vornehmen Adligen waren ganz Theben und das benachbarte Umland auf den Beinen. Die einen wollten den freien Tag nutzen, um sich an den dargereichten Speisen und dem guten Bier zu laben, die anderen, um zu sehen und gesehen zu werden.
»Da!« Aufgeregt zeigte ein junger Mann, barfüßig und mit einem einfachen weißen Lendentuch bekleidet, in Richtung des Palastes. »Das Tor geht auf. Sie kommen.«
Ohrenbetäubender Jubel brandete auf.
Die beiden großen, mit Elektrum beschlagenen Holztore öffneten sich langsam und gaben den Blick auf den dahinter befindlichen Tross des königlichen Gefolges frei.
Der Jubel schwoll immer mehr an. Die Menschen klatschten und hüpften und riefen begeistert den Namen des Königs und den des Mitregenten.
Langsam setzte sich der feierliche Zug in Bewegung. Voran schritten die hochgewachsenen fremdländischen Söldner aus Pharaos Leibgarde, die in ihren Paradeuniformen prachtvoll anzusehen waren. Ihnen folgten junge, anmutige Mädchen in durchscheinenden Kleidern, die zur Musik von Lauten, Flöten, Tamburinen und Fingerzimbeln tanzten und sangen und dabei einen Teppich aus Blumen streuten, über den der reich verzierte Streitwagen des Mitregenten fuhr. Ihm folgten die Sänften der königlichen Familie.
»Leben, Heil und Gesundheit dem Pharao!«, riefen die Menschen begeistert und warfen ihrerseits ebenfalls Blumen auf den Weg. »Hoch lebe der Thronfolger! Die Götter mögen ihn und seine Familie vor Unheil bewahren.«
Hochaufgerichtet stand Itiamun auf seinem Paradewagen. Er hielt die Zügel fest in der rechten Hand, während er seinen anderen Arm um die Schultern seines ältesten Sohnes gelegt hatte. Die Sänften, die ihnen folgten, waren nicht verhängt, sodass das Volk einen Blick auf die Königin sowie seine beiden Gemahlinnen und die neugeborenen Kinder werfen konnte. Ramses selbst war nicht erschienen. Er hatte keine Lust gehabt, sich dem Trubel auszusetzen. Stattdessen freute er sich über die bevorstehende Rückkehr nach Per-Ramses am darauffolgenden Tag.
Nach den Sänften folgten weitere Mitglieder der königlichen Familie, vornehmlich Itiamuns Geschwister mit ihren Familien sowie hochrangige Beamte und Priester, die dem Thronfolger nahe standen. Den Abschluss bildeten wiederum singende, tanzende Mädchen und die Leibgarde des Pharaos.
Als der Zug sich dem Tempel des Großen Gottes Amun näherte, öffneten sich die Zedernholztore, und die oberste Priesterschaft trat mit feierlicher Miene auf das Eingangspodest, um den Thronfolger in Empfang zu nehmen. Diesem allein war es erlaubt, das Innere des heiligen Bereichs zu betreten. Der Rest seines Gefolges harrte derweil in der drückenden Hitze des Vorhofes aus.
Re war schon weit über den Zenit gefahren, als der Prinz wieder aus dem Tempel trat . Die Prozession formierte sich erneut und kehrte unter dem Jubel des Volkes in den Palastbezirk zurück.
Nun begann das eigentliche Fest, dass sich bis in die frühen Morgenstunden des folgenden Tags hinziehen sollte.
An diesem Abend folgte der syrische Holzhändler Ibiranu dem Haushofmeister des thebanischen Kaufmanns Senbi.
Ibiranu war klar,
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