Das Geschenk des Osiris
Name niemals erwähnt worden war. Seine Dienerin hatte während dieser Zeit etwas bessere Nahrung erhalten und war höchstens mit ein paar Ohrfeigen bestraft worden, sodass sich ihr Körper allmählich zu erholen begann. Und heute nun war der Tag gekommen, dass sein Plan in die Tat umgesetzt werden sollte. Seine Zukunft im Holzhandel rückte in greifbare Nähe. War das nicht ein Grund, guter Dinge zu sein?
Sein Haushofmeister betrat den Garten, kam auf ihn zu und meldete ihm, dass die Dienerin bereit sei und wie befohlen in der kleinen Empfangshalle auf ihn wartete.
Senbi nickte erfreut und entließ Amunmose mit einer flüchtigen Handbewegung. Dann atmete er tief durch, roch an dem Wein in seinem Becher und trank ihn langsam aus. Anschließend warf er das kostbare Stück achtlos ins Gras, erhob sich und schlenderte gemächlich zum Haus.
Was er sah, als er in die Empfangshalle trat, verschlug ihm beinahe die Sprache. Dem Kaufmann war niemals aufgefallen, wie schön seine Dienerin eigentlich war.
Satra hatte grünen Lidschatten aufgelegt und sich die Augen mit Kohol schwarz umrandet, sodass sie größer und strahlender wirkten, als er es je an ihr bemerkt hatte. Die Lippen waren in einem verführerischen Rot geschminkt, und auf dem Kopf trug sie eine Perücke, die Senbi für sie gekauft hatte. Satra hatte zwar ihr eigenes Haar tragen wollen, aber er hatte es ihr nicht erlaubt. Ihre roten Locken waren einfach zu auffällig. Senbi wollte sicher sein, dass sie niemand wiedererkannte.
Er musterte sie ungeniert.
Das einfache weiße Leinenkleid wurde durch Träger gehalten. Sie hielt einen wollenen dunkelroten Schal in der Hand, den sie zum Schutz gegen die Kälte der thebanischen Nächte über die Schultern legen und der gleichzeitig die Male ihrer Misshandlungen verdecken konnte. Um den Hals trug sie ein einfaches Amulett in Form eines Udjat-Auges, während ihre Hand- und Fußgelenke mit schlichten Kupferreifen geschmückt waren, die leise klimperten, als sie ihr Gewicht auf den anderen Fuß verlagerte. Dabei fiel Senbis Blick auf ihre schlanken Füße. Die Sandalen schienen ihr etwas zu groß zu sein, aber das tat dem Gesamteindruck keinen Abbruch.
»Du weißt, was du zu tun hast?«, fragte er sie und reichte ihr die tönerne Phiole mit dem Gift. »Und versuche nicht, mich zu hintergehen!«, warnte er sie in scharfem Ton. »Du würdest es bereuen.«
Satra neigte ergeben den Kopf und nahm die kleine Röhre mit der todbringenden Substanz, die sie in einer unsichtbaren Tasche ihres Kleides verschwinden ließ.
Senbi musterte sie ein letztes Mal skeptisch. »Dann geh jetzt, und denke immer daran: Was du tust, bringt dir die Freiheit oder den Tod.«
Die Dienerin verneigte sich erneut und verließ durch die Vorhalle das Haus ihres Herrn.
Als sie hinaus auf die Straße trat, war es bereits dunkel. Sie legte sich den Schal um die Schultern, denn es war der zweite Monat der Aussaat, und die Nächte waren empfindlich kalt. Tief atmete sie die frische, reine Luft ein und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Am liebsten hätte sie die Arme ausgebreitet und vor Glück laut geschrien und getanzt. Endlich sah sie diese hohen, bedrückenden Mauern von außen, die das Schicksal jener armen Menschen von der Außenwelt abschirmte, die in ihnen wohnen und arbeiten mussten. Doch sie durfte sich jetzt keiner Gefühlsduselei hingeben. Sie musste tun, was ihr Gebieter ihr befohlen hatte.
Sie wandte sich nach links und ging zielsicher die Straße in Richtung des Händlerviertels hinab, wo der syrische Kaufmann in einem der vornehmeren Gasthöfe vor zwei Tagen abgestiegen war. Satra kannte den Weg und auch den Mann, welchen sie in den Schönen Westen hinüberschicken sollte. Ein paar Wochen zuvor hatte Senbi sie zusammen mit Abischemu in den Gasthof geschickt, damit dieser ihr sowohl den Weg als auch den Mann zeigen konnte.
Satra eilte weiter, ohne sich umzusehen, denn ihr war klar, dass Senbi sie überwachen ließ.
Eigentlich ist es recht dumm von ihm, sein Leben in meine Hände zu legen, nach allem, was er und seine Leute mir angetan haben, dachte sie, während sie sich dem Händlerviertel näherte. Doch anscheinend ist er sich meines Gehorsams und meiner Furcht vor ihm sicher, gingen ihre Gedanken weiter, und sie lachte bitter, denn sie war nicht im Geringsten gewillt, einen Mord zu begehen. Im Gegenteil, sie hatte einen Plan.
Nachdem Senbi sie vor über einen Monat in sein Vorhaben eingeweiht hatte, hatte Satra so manche
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