Das Geschenk des Osiris
verdattert dreinschauenden Händler stehen und ging unter dem Gejohle der anderen Gäste geradewegs auf den Tisch des syrischen Händlers zu. Dieser schien die Szene beobachtet zu haben, hatte aber kein Wort von dem verstanden, was gesagt worden war.
»Darf ich mich zu dir setzen, Herr?«
Bevor Ibiranu antworten konnte, hatte es sich Satra bereits neben ihm auf der Holzbank bequem gemacht. Leicht überrumpelt musterte er sie.
»Du bist schön«, stellte er als Fazit fest. »Ich habe dich hier noch nie gesehen. Woher kommst du?«
»Wollen wir nicht erst etwas zusammen trinken, bevor du mich so ausfragst?« Mit einem verführerischen Lächeln sah Satra ihm in die Augen.
Verwirrt nickte Ibiranu und gab einem der bedienenden Mädchen ein Zeichen, noch einen zweiten Becher und einen weiteren Krug Wein zu bringen.
Während sie auf den Wein warteten, sah sich Satra den Mann genauer an, der ihrem Peiniger im Wege stand.
Ibiranu war schätzungsweise Ende vierzig, Anfang fünfzig. Sein hageres Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen und durch das viele Reisen von der Sonne verbrannt. Trotzdem hatte er etwas Sympathisches an sich.
Die Bedienung kam und brachte das Gewünschte.
Der Syrer füllte beide Becher und reichte einen davon der Frau.
Sie tranken.
»Beantwortest du mir jetzt meine Frage, woher du kommst?«
»Ist es nicht völlig egal, woher ich komme«, wich Satra abermals aus. »Zählt nicht einzig und allein, dass ich hier bin?« Sie schenkte Ibiranu ein bezauberndes Lächeln und zwinkerte ihm vielsagend zu.
Er hatte angebissen.
»Vielleicht sollten wir uns dann nicht so lange mit Reden aufhalten«, schlug er vor. »Den Wein können wir auch woanders trinken.«
Ibiranu leerte seinen Becher in einem Zug, und Satra tat es ihm nach. Dabei rutschte ihr Schal von der linken Schulter. Bestürzt zog sie ihn wieder hoch, doch Ibiranu hatte die Male ihrer Misshandlungen gesehen. Wortlos nahm er den Krug in die linke Hand und ergriff mit der rechten die Hand der Frau, die sich ihm so unmissverständlich angeboten hatte, um sie ins Obergeschoss zu seiner Kammer zu führen.
Dort angekommen, verriegelte Ibiranu die Tür und stellte den Krug auf dem kleinen Tischchen ab, das neben einem Hocker und einer Schlafstatt die einzigen Einrichtungsgegenstände waren. Dann nahm er Satra in die Arme.
Sein Mund näherte sich ihren so verführerischen roten Lippen, und sein vom Wein geschwängerter Atem strich dabei über ihren schlanken Hals und ihr Kinn. Satra erwiderte seinen Kuss, während Ibiranu sie fest in seinen Armen hielt und verlangend seinen Körper an ihren presste. Seine linke Hand liebkoste ihre Brust; mit der anderen glitt er forschend ihren Körper hinab über ihren Bauch und ihre Taille immer tiefer – und dann spürte er in den Falten ihres Kleides das, wonach er auf der Suche gewesen war.
»Was ist das?« Ibiranu löste sich von Satra, und seine Hand fingerte hastig an ihrem Kleid herum, bis er die Taschenöffnung fand. Behände beförderte er die Phiole heraus und hielt sie ihr unter die Nase.
»Ich wollte es dir sagen, aber ...« Satra stand das pure Entsetzen ins Gesicht geschrieben. So hatte sie sich den Verlauf des Abends nicht vorgestellt.
Ibiranu schlug ihr mit der Faust ins Gesicht, und sie stürzte. »Du kleine Schlange, du wolltest mich vergiften!« Er trat nach der am Boden liegenden Frau. Dann packte er sie an der Gurgel und zog sie zu sich auf Augenhöhe hoch. »In wessen Auftrag arbeitest du?« Er lachte rau. »Ich weiß schon. Senbi, diese elendige Kröte, Sohn eines syrischen Bastards und einer kemitischen Hündin.« Er schüttelte Satra derb. »Sprich schon oder ich prügele dich windelweich!«
Verzweifelt rang Satra nach Luft. »Ja, Herr«, krächzte sie, und Ibiranu lockerte etwas den Griff um ihren Hals, um sie besser verstehen zu können. »Bitte, tu mir nicht weh. Ich wollte ...« Weiter kam sie nicht. Ibiranu schlug ihr seine Faust in den Magen.
»Ich soll dir nicht wehtun?«, höhnte er und ließ sie los. Nach Luft röchelnd, sackte Satra auf dem Fußboden in sich zusammen und hielt sich den schmerzenden Magen.
Ibiranu stapfte in der Zwischenzeit wutentbrannt zur Tür, um nach den beiden Nubiern zu rufen, die für den Wirt zum Schutz seines Eigentums und zur Sicherheit seiner Gäste arbeiteten.
Diese kamen sofort angelaufen und zerrten Satra roh auf die Beine, um sie nach unten in den Gastraum zu bringen. Satra hing zwischen den beiden riesigen Männern wie ein Häufchen
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