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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Elend und sagte kein Wort. Der Magen schmerzte ihr, und das Blut lief ihr unaufhörlich aus der Nase und beschmutzte ihr Kleid. Ein Angehöriger der Stadtwache, ein Medjai, erwartete sie bereits, der von einem der Wirtsmädchen alarmiert worden war. Er packte Satra und stieß sie vor sich her zum thebanischen Gefängnis.
     
    * * *
     
    Raija und Abischemu standen unweit des Gasthauses und beobachteten verstohlen die Szene, wagten aber nicht einzugreifen. Mit Pharaos Ordnungshütern war nicht zu spaßen. Also zogen sie die Köpfe ein und machten, dass sie ungesehen davonkamen, um ihrem Gebieter von dem missglückten Mordanschlag zu berichteten.
    Senbi tobte und fluchte, als er es erfuhr, und jeder von seiner Dienerschaft schlich mit eingezogenem Kopf durch das Haus und versuchte, so unsichtbar wie möglich zu sein. Selbst Abischemu und Raija, sonst die rechte und die linke Hand ihres Herrn und Gebieters, waren vor seinem Zorn jetzt nicht mehr sicher.
    »Ihr seid zu nichts nütze!«, herrschte er die beiden an. »Nicht nur, dass diese Tochter des Seth zu dämlich ist, die Beine breit zu machen und den Inhalt der Phiole in seinen Wein zu schütten ... Nein, sie lässt sich auch noch erwischen und gefangen nehmen.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, und der Weinbecher sprang in die Höhe und fiel polternd um. »Und ihr ... ihr steht daneben und seht noch dabei zu, anstatt etwas zu unternehmen. Bin ich denn nur von unfähigen Leuten umgeben?« Senbi hatte immer geglaubt, sich auf Abischemu und Raja verlassen zu können, und war nun so schwer enttäuscht worden.
    Verlegen starrten die beiden Männer auf den Boden zu ihren Füßen und wagten kaum, sich zu rühren.
    Nach einer Weile räusperte sich Abischemu verlegen und richtete das Wort an seinen Herrn. »Gebieter, was hätten wir denn tun sollen? Dieser Ibiranu hatte die beiden Wachhunde des Wirts gerufen, und eines der Mädchen war losgelaufen, um die Medjai zu alarmieren. Wir hatten keinerlei Gelegenheit, unbemerkt etwas zu unternehmen.« Entschuldigend zuckte er mit den Schultern, und sein Kumpan nickte zustimmend, um dem Gesagten Gewicht zu verleihen.
    Senbi wollte sich jedoch nicht zu beruhigen. »Ich werde euch eigenhändig auspeitschen, bis euch das Fleisch von den Knochen fällt«, brüllte er. »Seht zu, dass euch in Zukunft nie wieder so ein Fehler unterläuft. Anderenfalls mögen euch die Götter gnädig sein.« Er entließ die beiden mit einer knappen Handbewegung und schenkte sich einen Becher Wein ein, den er in einem Zug hinunterstürzte.
    Hoffentlich war es nicht schon zu spät, durchfuhr es ihn, und seine Gedanken begannen sich zu überschlagen.
    Wie hatte das nur passieren können? Er hatte doch alles genau geplant und war sich seiner Sache so sicher gewesen. War er verraten worden? Aber von wem?
    Keiner hatte von seinem Plan gewusst. Einzig Raja und Abischemu. Sie hatten zwar heute Abend kläglich versagt, waren ihm aber treu ergeben. Blieb also nur noch die Dienerin selbst oder sein kleiner, feister Haushofmeister.
    Nachdenklich strich sich Senbi über seinen schwarzen gepflegten Kinnbart und trank einen weiteren Becher Wein.
    Hatte womöglich Satra geredet und Ibiranu alles erzählt? Oder war Amunmose, diese elendige kemitische Ratte, bei einer seiner Bierhausmädchen zu gesprächig gewesen?
    Senbi leckte sich gedankenversunken über die Lippen. Es gab noch eine dritte Möglichkeit: Sein verlauster Hausverweser hatte sich von Ibiranu kaufen lassen.
    »Mit dir werde ich mich später befassen!«, zischte Senbi wutentbrannt. Als Erstes galt es nämlich, Theben so schnell wie möglich zu verlassen. Die Dienerschaft war schon dabei, die wichtigsten Dinge zu packen, denn das meiste würde er zurücklassen müssen. Da er jedoch sehr reich war, konnte er an jedem beliebigen Ort der Welt ein neues Leben beginnen, sollte es schlecht für ihn laufen, und er würde Theben nie wiedersehen.
    Einigermaßen beruhigt schenkte sich Senbi den dritten Becher Wein ein und drehte ihn bedächtig in seinen beringten Händen. Er   hatte eine Chance, ungeschoren davonzukommen. Er musste nur unverzüglich verschwinden. Eile war geboten, denn er wusste nicht, wie lange Satra den Mund halten würde. Sicher hatte man sie zum Verhör gebracht, und es war allgemein bekannt, dass die Medjai ziemlich überzeugend mit dem Stock sein konnten.
    Er setzte den Becher an die Lippen und spürte, wie er mit jedem Schluck des guten Weins seine alte Kaltblütigkeit

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