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Das Geschenk des Osiris

Das Geschenk des Osiris

Titel: Das Geschenk des Osiris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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so auf Anhieb sagen, Herr. Es kommen ständig Bedienstete hinzu, die nur für kurze Zeit ihren Dienst im Tempel versehen.« Verlegen hob er die Schultern. »Verzeih bitte, ich bin zur Zeit überfragt.«
    »Überfragt oder unfähig?« Amunhoteps Stimme war scharf wie ein Schwert, sodass Maj erschrocken den Kopf einzog. »Bis morgen früh liegt mir ein Auflistung von dir vor, in der du mir die Namen und die Tätigkeiten aller Personen aufgeschrieben hast, die im Tempel arbeiten. Meinst du, dass du das schaffst?« Der Vorsteher der niederen Priesterschaft errötete und nickte. »Dann zu dir, Netnebu.«
    Der Angesprochene saß kerzengerade, obwohl er von Amunhotep nichts zu befürchten hatte. »Ich bin der Einzige, der die heiligen Texte liest.«
    »Es gibt außer dir keinen weiteren Vorlesepriester in Abydos?« Amunhoteps Stimme klang etwas ungläubig.
    »So ist es hier im Tempel des Großen Gott Osiris«, meldete sich Ipuwer vor Netnebu zu Wort. »Jeder arbeitet hart, denn Müßiggang ist eine verwerfliche Eigenschaft und wurde von deinem Vorgänger nicht geduldet. Das gilt auch für die obere Priesterschaft.« Er sah Amunhotep herausfordernd an, doch dieser ignorierte seinen Blick. Stattdessen wandte er sich an den Obersten Arzt.
    »Bei mir ist es nicht viel anders«, bestätigte Paheri. »Neben einem Gehilfen und einem Leibeigenen gibt es keinen weiteren Heilkundigen hier im Tempel, wenn man von Netnebu und Ipuwer absieht, die jedoch selbst genug um die Ohren haben.«
    Ein spöttisches Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Schatzmeisters, und Amunhotep konzentrierte sich auf Baken.
    »Mir unterstehen neben fünf Priestern, die sich um die Belange des Lebenshauses mit ihrer Bibliothek und Schule kümmern, unsere beiden Schreiber. Einen hast du bereits kennengelernt. Der Wesir befand, dass die Position des Oberschreibers nicht mehr zu besetzen sei.«
    Nachdenklich kratzte sich Amunhotep an der Augenbraue. »Hast du alles?«, fragte er seinen persönlichen Schreiber. »Dann vermerke, dass ich gedenke, einige einschneidende Veränderungen in Bezug auf die Anzahl und Auswahl der Priester sowie der Bediensteten vorzunehmen.«
    Verblüfft sahen ihn die Priester an, nur Ipuwer und Baken blieben unbeeindruckt.
    »Was genau soll das bedeuten?«, fragte Ipuwer. »Ist es für solcherlei Maßnahmen nicht etwas zu früh? Du bist erst vor ein paar Tagen angekommen und kannst dir wohl kaum ein genaues Bild vom Leben in einem kleinen Tempel gemacht haben.«
    Amunhotep musterte Ipuwer, und es begann sich zwischen seinen Augenbrauen eine tiefe Falte zu bilden, ein Zeichen für aufflammenden Zorn. Er bezwang sich aber, obwohl ihm der Ton des Schatzmeisters missfiel.
    »Was ich bisher gehört habe, reicht mir, Ipuwer. Zu gegebener Zeit werde ich dich und die anderen von meinen Veränderungen in Kenntnis setzen. Doch nun zu dir. Ich will bis morgen früh eine genaue Aufstellung aller Güter, die in den Vorratslagern, dem Schatzhaus oder wo auch immer gelagert sind. Weiterhin wirst auch du mir eine Aufstellung aller für den Tempel tätigen Handwerker und auf den Domänen arbeitenden Leute vorlegen. Ich verlange nicht von dir, dass du mir den Namen jedes einzelnen Bauern nennst; ich will aber wissen, wie viele von ihnen Freie, Unfreie oder Leibeigene sind. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Ipuwer biss vor Wut die Zähne zusammen, sodass sich die Backenknochen deutlich abzeichneten, nickte aber ohne jegliche Erwiderung.
    »Dann seid ihr entlassen. Morgen früh erwarte ich eure Berichte. – Netnebu!« Der Angesprochene, der sich wie die anderen Männer erhoben hatte und gehen wollte, blieb stehen. Mit einer Kopfbewegung gab ihm Amunhotep zu verstehen, dass er noch bleiben solle.
     
    * * *
     
    Als die anderen Priester außer Hörweite des Oberpriesters auf dem Flur waren, blieben sie stehen und sahen sie sich unschlüssig an.
    »Amunhotep scheint es ernst zu meinen«, stellte Maj fest. »Unter ihm wird es nicht zu solchen Vorfällen kommen wie unter Djefahapi.«
    »Das scheint mir auch so«, bestätigte Baken.
    »Mir ebenfalls«, stimmte Paheri seinen Amtskollegen zu. »Er scheint genauso streng zu sein wie sein Vorgänger. Hoffen wir, dass er gerechter ist.«
    Ipuwer lachte verächtlich. »Dieser Mann ist gefährlich. Wir sollten uns vor ihm in Acht nehmen.« Er drehte sich um und eilte zurück zu seinem Haus.
    Maj sah ihm kopfschüttelnd hinterher. »Ipuwer ist doch nur beleidigt, weil nicht er der neue Oberpriester geworden ist. Auf

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