Das Geschenk des Osiris
mich macht dieser Amunhotep einen ehrlichen Eindruck. Warten wir ab, was er vorhat. Schlimmer als unter Djefahapi kann es nicht werden.«
* * *
Ipuwer stürmte an seinem Torwächter vorbei in sein Haus und rief seinem Diener zu, er möge ihm sofort einen Krug Bier bringen. Dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und begann zu brüten.
Er musste sich eingestehen, den neuen Oberpriester völlig falsch eingeschätzt zu haben. Amunhotep war nicht der unerfahrene junge Priester, wie er gehofft hatte, der seinen raschen Aufstieg nur seiner Familie und den guten Beziehungen zum Königshaus verdankte. Sein Blick war fest und streng, und Ipuwer begann zu begreifen, dass er es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun hatte, den er nicht so leicht aus seinem Amt verdrängen konnte. Also musste er bedächtiger und vor allem vorsichtiger vorgehen.
Netnebu stand auf Amunhoteps Seite, und auch bei Baken brauchte Ipuwer auf keine Unterstützung zu hoffen. Der Vorsteher des Lebenshauses hatte durch die angekündigten Veränderungen sicher nichts zu befürchten. Blieben also noch Maj und Paheri. Maj war gleich zu Beginn von Amunhotep vor den Kopf gestoßen und getadelt worden. Sicher würde ihm das Maj nicht so schnell verzeihen. Paheri hingegen umgab ein Geheimnis. Ipuwer wusste zwar noch nicht, welches. Er war sich jedoch sicher, dass er es irgendwann lüften würde, um es gegen den Arzt als Druckmittel verwenden zu können.
Zufrieden rieb er sich die Hände.
Wenn er bedächtig vorginge, könnte er Maj und Paheri auf seine Seite ziehen. Er durfte sich nur keinen Fehltritt erlauben, sodass Amunhotep keinen Anlass zur Klage hatte. Zu viel stand für ihn auf dem Spiel. Immerhin musste er an die Warnung des Wesirs denken, der ihm bei einem erneuten Versagen Verbannung und Zwangsarbeit angedroht hatte.
Zähneknirschend nahm sich Ipuwer vor, von nun an den demütigen Schatzmeister zu spielen, der sich in seine Rolle als zweithöchster Priester des Osiris gefügt hatte.
* * *
»War es klug, dass du Ipuwer so herausgefordert hast?«, wagte Netnebu zu fragen, als er und Amunhotep alleine waren.
»Herausgefordert? Ich? – Ipuwer hat versucht, meine Autorität vor der oberen Priesterschaft dieses Tempels zu untergraben. Ich habe ihn beinahe sanft behandelt. Wenn er nicht gedenkt, seine Haltung mir gegenüber zu ändern, wird es bald das Amt des Schatzmeisters neu zu besetzen geben.« Amunhoteps Zorn war entflammt, und er hieb mit der Faust auf den edlen Arbeitstisch. »Was bildet er sich ein, wer er ist? Ich weiß, dass er gehofft hat, mein Amt zu übernehmen. Dabei sollte er eigentlich froh sein, dass er überhaupt noch ein so hohes Amt versehen darf, nach allem, was vorgefallen ist. Nehi ist geradezu milde mit ihm umgesprungen.«
»Mit mir und den anderen auch?«
Amunhotep sah dem Freund fest in die Augen. »Du weißt genau, Netnebu, dass für das, was ihr mit eurem Schweigen gedeckt habt, die Strafe härter hätte ausfallen müssen. Dass das nicht mein Wunsch gewesen wäre, kannst du mir glauben.«
Netnebu seufzte. »Trotzdem gebe ich dir den Rat, nimm dich vor Ipuwer in Acht. Ich habe Djefahapi nicht getraut, und ich traue auch ihm nicht über den Weg.«
»Ich werde deinen Ratschlag beherzigen; ich werde mir aber nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Du kennst mich, Netnebu. Ungehorsam lasse ich nicht zu. Das kleinste Vergehen wird von mir streng geahndet, aber ich werde gerecht dabei sein. Das verspreche ich. Unter meiner Führung wird es keine Ungerechtigkeiten geben.«
Leicht beschämt trat der Vorlesepriester auf seinen neuen Vorgesetzten zu. »Ich weiß, Amunhotep, und ich hoffe, dass wir auch weiterhin Freunde bleiben, selbst wenn du jetzt der Herr bist und ich der Diener.«
Lächelnd legte ihm Amunhotep die Hand auf die Schulter. »Nein, Netnebu. Wir beide sind Diener, Diener des Großen Gottes Osiris und des Guten Gottes, des Pharaos.«
SIEBEN
Der thebanische Kaufmann Senbi saß äußerst gut gelaunt im letzten Licht der untergehenden Sonne in seinem prachtvollen Garten. In seiner Rechten hielt er einen Becher mit gut gekühltem Wein aus dem Jahre eins der Herrschaft von Ramses VI., den er sich genüsslich durch die Kehle rinnen ließ.
Etwas mehr als fünf Wochen waren seit dem Nachmittag vergangen, als er den Plan für die Ermordung des syrischen Holzhändlers Ibiranu gefasst hatte. Das Gift hatte er sich über mehrere Mittelsmänner beschaffen lassen, sodass sein
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