Das Geschenk des Osiris
zusammen, dem Vorsteher der niederen Priesterschaft. Gemeinsam betraten sie das Arbeitszimmer des neu ernannten ersten Gottesdieners. Die anderen drei Angehörigen der oberen Priesterschaft, Netnebu, Paheri und Baken, waren bereits anwesend und mit ihnen ein Schreiber, der die Unterredung aufzeichnen sollte.
Ipuwers Blick glitt zu Amunhotep, der hinter dem Arbeitstisch aus edlem Zedernholz mit kunstvoll geschnitzten Füßen in Form von Stierhufen saß und den beiden Neuankömmlingen aufmerksam entgegensah. Der mit Lederkissen gepolsterte Sessel war ein Meisterwerk, das Djefahapi einst von einem reichen Kaufmann als Gegenleistung für den Verleih von ein paar Tempelleibeigenen während der gesamten Erntezeit erhalten hatte. Die Rückenlehne war auf beiden Seiten mit religiösen Szenen aus farbigen Steinen, Gold und Silber verziert, während die Armlehnen kunstvolle Schnitzereien aufwiesen.
Neidisch blickte Ipuwer auf dieses wunderschöne Möbelstück. Eigentlich müsste das ihm jetzt alles gehören, doch der Wesir hatte verfügt, dass die beiden Möbelteile aus dem Privatbesitz Djefahapis von nun an den Arbeitsbereich des Oberpriesters zieren sollten, und der war nicht er.
Die Begrüßung zwischen den beiden obersten Dienern des Gottes fiel recht kühl aus. Amunhotep ließ die fünf Priester vor seinem Schreibtisch auf den bereitgestellten Stühlen Platz nehmen, während sich sein persönlicher und der Tempelschreiber zu den Füßen ihrer Herren niederließen und ihre Paletten und das Schreibgerät auspackten.
Überrascht stellte Ipuwer fest, dass Amunhotep einen eigenen Schreiber mitgebracht hatte. Das war ihm beim Betreten des Raums gar nicht aufgefallen.
Aufmerksam betrachtete Amunhotep die fünf Männer, die vor ihm saßen.
Von Netnebu hatte er nichts zu befürchten, während Maj nicht so recht zu wissen schien, wie er sich dem neuen Oberpriester gegenüber verhalten sollte. Mit gesenktem Blick kauerte er auf seinem Stuhl und wirkte recht verloren. Ipuwer hingegen starrte betont gelangweilt auf seinen weißen Schurz und machte damit deutlich, was er von Amunhotep hielt. Baken, der Vorsteher des Lebenshauses, sowie Paheri, der oberste Tempelarzt, warteten dagegen gelassen auf das, was der neue Vorsteher der Priesterschaft ihnen mitzuteilen hatte.
»Es genügt, wenn mein Schreiber diese Unterredung aufzeichnet«, begann Amunhotep. Erstaunt blickte der Tempelschreiber zuerst zu ihm auf und sah dann fragend zu Ipuwer, welcher jedoch keine Notiz davon nahm. »Wenn ich dir sage, dass du nicht mitschreiben sollst, brauchst du nicht um die Zustimmung des Schatzmeisters zu bitten!«, zischte Amunhotep. »Du kannst gehen!«
Beschämt schaute der Getadelte zu Boden, rollte sein Papyrusblatt zusammen und packte das Schreibgerät ein. Nachdem sich hinter ihm die Tür geschlossen hatte, wandte sich Amunhotep der oberen Priesterschaft zu.
»Ich weiß, dass es hier im Tempel Stimmen gibt, die meinen, dass nicht mir, sondern einer gewissen anderen Person das Amt des Oberpriesters zustehen müsste.« Bei diesen Worten bohrte sich sein Blick förmlich in den Körper des Schatzmeisters, der noch immer recht unbeeindruckt war. »Ich will noch einmal jeden daran erinnern, dass ich von Seiner Majestät ernannt wurde und dass der Wille des Pharaos heiliges Gesetz ist für jeden, egal ob es sich dabei um den Wesir oder um den niedersten Leibeigenen handelt. Somit ist er auch bindend für einen Priester des Osiris!«
Der Vorsteher der niederen Priesterschaft nickte eifrig, während Netnebu, Paheri und Baken verstohlen schmunzelten. Nur Ipuwer behielt noch immer seinen gelangweilten Gesichtsausdruck bei.
»Ich hoffe, du hast das ebenfalls verstanden, Ipuwer«, sprach Amunhotep ihn direkt an. Seine Stimme war hart und duldete keinen Widerspruch. »Ich erwarte von dir, wie von jedem anderen hier im Tempel, absoluten Gehorsam. Geht das in deinen Schädel hinein?«
Widerwillig hob Ipuwer den Kopf und sah Amunhotep verächtlich an. Er hielt jedoch den Mund, obwohl er innerlich kochte.
Fragend zog Amunhotep die rechte Augenbraue in die Höhe. »Wolltest du etwas darauf erwidern? – Gut, dann kommen wir zu dem, weswegen ich euch hergebeten habe.« Er wandte sich dem Vorsteher der niederen Priesterschaft zu. »Ich will von dir über die Anzahl der im Tempel arbeitenden Priester und des sonstigen Personals unterrichtet werden.«
»Was, sofort?«, rutschte es Maj heraus, und nervös zupfte er an seinem Leibrock. »Das kann ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher