Das geschenkte Gesicht
Polizisten und ließ sich willenlos aufrichten.
»Sie kennen den Mann?« fragte einer der Polizeibeamten. »Wer sind Sie?« Es war wie ein Anpfiff. Professor Rusch sah sich langsam um.
»Merkwürdig«, sagte er so laut, daß es alle hörten. »Ich habe immer geglaubt, der deutsche Kommiß sei am 9. Mai 1945 endgültig gestorben. War wohl ein Irrtum.«
»Das bringt die Uniform so mit sich«, sagte Lisa ebenso laut. »Ein buntes Tuch über einer deutschen Brust, und ein Halbgott ist geboren!«
Der dunkle, sie umringende Menschenkreis lachte. Die beiden Polizisten sahen Rusch und Dr. Mainetti mit verkniffenen, wütenden Gesichtern an.
»Ihre Kennkarte«, rief einer von ihnen.
»In der deutschen Sprache gibt es das Wort ›bitte‹. Auch wenn es für eine Beamtenzunge schwer auszusprechen ist«, sagte Lisa.
»Sie kommen mit?«
»Genau das war unser Wunsch.« Professor Rusch trat auf Walter Hertz zu und hob seinen Kopf hoch, indem er die Hand unter das Kinn legte. »Mein Junge, keine Angst«, sagte er gütig. »Das kriegen wir alles hin, genau wie wir dein Gesicht hingekriegt haben.«
Walter Hertz nickte. Dann sah er die Polizisten an, und es war fast Triumph in seinem Blick. »Das ist Professor Rusch, ihr Idioten!« sagte er. »Mein Chefarzt.«
Auf der Polizeiwache wurde alles schnell geklärt. Walter Hertz war aufgegriffen worden, als er eine Stange Camel-Zigaretten verkaufen wollte.
»Wir wollten nur die Stange beschlagnahmen«, sagte der Polizist. »Das kennen wir ja, ist nichts Neues. Aber der Kerl schlug gleich um sich und brüllte. Da mußten wir eben notgedrungen …«
Später standen sie auf der Straße, und Walter Hertz weinte in die vor das Gesicht geschlagenen Hände.
»Wo wohnst du?« fragte Rusch.
»In einem verlassenen Keller.«
»Aber –«, Dr. Mainetti schwieg, als Rusch ihr abwinkte.
»Das, was geschehen ist, erzählst du uns alles später. Hier hast du Geld. Damit fährst du nach Bernegg und sagst zu Major Braddock, ich schickte dich, und er möchte dich wieder hinauf aufs Schloß bringen. Du bleibst von jetzt an bei uns, hast du verstanden?«
Walter Hertz schüttelte den Kopf. »Ich will nicht mehr, Herr Professor«, stammelte er. »Ich kann einfach nicht mehr – das war das letzte, heute. Ich mach' Schluß!«
»Unsinn! Wir unterhalten uns über alles in Ruhe in Bernegg.«
»Ich will nicht mehr!« schrie Hertz. »Ein Mensch ohne Gesicht ist kein Mensch mehr!«
»Ach so«, sagte Lisa Mainetti leise. »So ist das.« Sie legte den Arm um Hertz' zitternde Schulter und vermied es dabei, Rusch anzusehen. »Morgen früh fahren wir alle drei zurück nach Bernegg, was? Es wäre gelacht, wenn ein Walter Hertz an der Umwelt zugrunde ginge!«
»Es geht nicht mehr«, stöhnte Hertz. Dr. Mainetti ließ ihn los.
»Noch einmal eine solche Antwort, und es donnert!« brüllte sie. Hertz zuckte zusammen und hob das tränenüberströmte Gesicht. »Morgen fahren wir nach Bernegg – oder wollen Sie mir einen Korb geben, Sie Flasche?«
»Ne – nein, Frau Doktor.« Walter Hertz legte die Arme an. »Ich komme. Auf Ehrenwort.«
Und er lächelte sogar, ganz schwach. Aber es war ein sichtbarer Hauch der Geborgenheit.
In der Nacht zuckte Rusch wieder hoch. Er sah, daß auch Lisa nicht schlief und mit offenen Augen neben ihm lag.
»Lisa«, sagte er leise. Seine Stimme war merkwürdig heiser.
»Ja, Walter. Was, Liebster?«
»Jetzt weiß ich es. Amerika.«
»Und …?«
»Ich werde nicht fahren. Man braucht mich hier nötiger.«
»Ich wußte es, Walter.« Lisa Mainetti ergriff seine schlaffe Hand und küßte sie. »Es wäre auch gar nicht anders möglich gewesen. Denn ich wäre nie mitgefahren.«
Am Morgen fuhren sie ganz früh mit dem ersten Zug zu dritt nach Bernegg.
17
Major Braddock hatte bereits gepackt und wartete und wartete auf die Nachricht, wann, sein Schiff von Genua aus nach New York führe, als Professor Rusch und Dr. Mainetti wieder in Bernegg eintrafen.
»Willkommen«, rief Braddock und schielte dabei zu Lisa hinüber. Er sah das Glück aus ihren Augen sprühen und verbiß sich die Bemerkung, daß zwischen der Entlassung aus Darmstadt und der Rückkehr nach Bernegg einige Tage vergangen seien und diese Zwischenzeit trotz Maisgrieß und Brotaufstrich aus roten Rüben offenbar äußerst belebend gewirkt hätte. »Es ist schön, daß Sie zurück sind, Professor. Hat man Ihnen in Darmstadt noch nichts gesagt?«
»Gesagt? Nein.«
»Was denn gesagt?« fragte Dr. Mainetti.
»Das
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