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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fuhren über die Bettdecke, in seine Augen trat der Ausdruck neuen Entsetzens.
    Meine Mutter wird kommen, dachte er. Mein Gott, sie wird mich nicht erkennen. Und meine Frau …
    »Frau Doktor, sie darf mich nie wiedersehen, hören Sie, nie wieder! Und auch meine Mutter will ich nicht mehr sehen … schreiben Sie ihr, telegrafieren Sie … sie soll zu Hause bleiben … Niemand will ich sehen, keinen … Und schreiben Sie meiner Frau, sie soll sich scheiden lassen … Sie … sie kann doch nicht … mit einem Mann … ohne Gesicht … mit …«
    Er weinte haltlos, drehte den Kopf zur Seite und krallte die Finger in die Bettdecke.
    Lisa Mainetti wußte nur zu genau, was in ihm vorging. Sie schwieg und ließ ihn sich ausweinen. Sie tupfte die Tränen von seinem verpflasterten Gesicht und von den Narben und angewachsenen Hautlappen, die eine neue Wange geben sollten.
    »Keinen, keinen will ich sehen!« gurgelte Schwabe mit äußerster Anstrengung. »Ich sehe ja nicht mehr wie ein Mensch aus …«
    »Noch nicht.« Lisa faßte vorsichtig mit beiden Händen den zitternden Kopf und drehte ihn zu sich herum. »Aber in einigen Monaten wird alles anders sein. Und in zwei oder drei Jahren sind Sie zwar noch keine Schönheit, aber keiner wird sich mehr abwenden.«
    »Das sagen Sie nur, um mich zu trösten …« Die Augen Schwabes bettelten. »Belügen Sie mich nicht, Frau Doktor. Sagen Sie nur: Es wird nie wieder ein Gesicht. Sagen Sie mir alles … Einmal klappt es doch! Es gibt viele Möglichkeiten, sich umzubringen …«
    »Dann werden wir Sie ab heute ans Bett fesseln, Schwabe! Seien Sie doch kein Schlappschwanz!« Der Militärton, den sich Lisa seit zwei Jahren angewöhnt hatte und der ihr den Ruf einer ›männlichen Venus‹ eingebracht hatte, sprach Schwabe eher an als die tastende, milde weibliche Art. Sie sah es an seinen Augen. »Warum sollte ich Sie belügen? Natürlich wird es lang dauern! Und ein bißchen anders werden Sie immer aussehen als vorher. Es ist einfacher, einen Arm oder ein Bein zu amputieren und dann eine Prothese anzupassen, als eine Nase neu zu formen oder weggerissene Wangen zu ersetzen. Und wenn Sie wüßten, welche Arbeit es ist, Lippenrot neu zu erzeugen, würden Sie weniger dämlich daherreden. Aber das alles werden wir mit Ihnen machen, Professor Rusch und ich.«
    Erich Schwabe starrte an die Decke des Zimmers. »Ursula wird sich nie damit abfinden«, sagte er kaum hörbar.
    »Sie wird!«
    »Ich könnte keinen Menschen lieben, der … der … so aussieht wie ich … wie ein Ungeheuer … wie ein … ein …«
    »Sie sind keine Frau, Schwabe. Wie können Sie empfinden, was in einer Frau vorgeht?«
    »Ursula liebt so sehr alles Schöne … und nun komme ich und …«
    »Sie sind doch der geblieben, der Sie waren …«
    »Nein!« schrie Schwabe. »Nein! Ich habe mich doch selbst gesehen. Ich habe mich doch vor mir selbst geekelt! Ich bin vor mir erschrocken! Vor Angst und Grauen vor meiner entsetzlichen Fratze habe ich geschrien …«
    »Und in einem Jahr werden Sie vor einem großen Spiegel stehen, sich ansehen und sich selbst ohrfeigen können, wenn Sie an das denken, was Sie jetzt getan und gesagt haben.«
    »Das sind alles nur Worte, Frau Doktor!« Schwabe wandte seinen Kopf ab. »Ich werde Mutter sagen, daß ich nie wieder zurückkomme nach Köln. Ich bin doch gar nicht mehr der Erich Schwabe …«
    »Auch darüber werden wir uns noch unterhalten.« Lisa Mainetti zog eine 2-ccm-Spritze auf. Es war eine wasserhelle Flüssigkeit, die sie in den Glaskolben saugte. Scopolamin hydrochloric. »Wir werden jetzt erst einmal ganz ruhig sein und warten, bis die Sonne wieder scheint. Auch daran sollten Sie einmal denken, Schwabe: Es scheint immer wieder die Sonne … So, und jetzt zeigen Sie mir mal Ihre linke Hinterbacke …«
    Später schlief Erich Schwabe wieder, mit gefalteten Händen, als läge er aufgebahrt. Er hörte nicht die Rückkehr seiner Stubenkameraden und die Kommentare zum Kinoausflug.
    »Det war'n Ding«, sagte der Berliner und setzte sich auf sein Bett. »Habt ihr die Kleene jesehn, auf der Hauptstraße? 'ne Wolke, wat?«
    »Elemisch könnt' ma werdn!« schnaufte Wastl Feininger.
    »Es heißt elegisch«, verbesserte der Stubenälteste Adam.
    »Scheiß drauf!« schrie Feininger und zog seine Hose aus. »Jetzt allein ins Bett … is a Straf aus 'm Fegefeuer …«
    »Halt 's Maul! Der Erich …«
    Wie auf ein Kommando sahen sie zur Ecke zum Bett Schwabes. Dort rührte sich nichts. Adam ging

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