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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus einer Ampulle eine glasklare Flüssigkeit auf und stach die Nadel tief in den linken Unterarm. Schwer atmend lehnte er sich dann zurück und wartete, bis das Morphium wirkte.
    Er wurde ruhiger, sein Atem ging normal, und nur an den glänzenden Augen sah der Wissende, woher Dr. Urban seine Kraft genommen hatte.
    Mit schnellen Schritten lief er zurück zum ersten Stockwerk und bezog wieder Posten vor Zimmer 14.
    Kurz vor dem Mittagessen klopfte es an die Tür Dr. Lisa Mainettis.
    Lisa hatte es sich bequem gemacht, nachdem sie von den einzelnen Stationsschwestern erfahren hatte, daß es in den Zimmern zu keinerlei Komplikationen gekommen war. Zwar hatte es Tränen gegeben, und die mühsame Überwindung des Entsetzens war oft deutlich spürbar gewesen, aber dann hatte die Liebe der Frauen und Mütter gesiegt, und das zerstörte Gesicht war in ihren Augen glatt und heil geworden. Dr. Rusch war nach Bernegg gefahren. Er mußte den Kreisleiter abholen, der am Nachmittag die Bescherung der Kriegswaisen vornehmen wollte. Der Gemeinschaftssaal wurde zu diesem Zweck umdekoriert. Vor dem Weihnachtsbaum wurde ein Podium aufgebaut, umhüllt mit der Hakenkreuzfahne. Zwischen Podium und Weihnachtsbaum stand auf einem hohen Sockel eine Büste Adolf Hitlers. Professor Rusch konnte sich gegen diese Ausgestaltung seines Freizeitraums nicht wehren. Er nahm sie hin mit dem gleichen passiven Widerstand, den er auch in seinem Lazarett zeigte und dessen unüberhörbarer Ausdruck die Begrüßung seiner Soldaten bei der Visite mit ›Guten Morgen‹ oder ›Guten Tag‹ war, während Dr. Urban jedesmal mit lauter Stimme ›Heil Hitler‹ rief.
    Dr. Lisa Mainetti setzte sich, als sie das Klopfen an ihrer Tür hörte, strich sich die Haare glatt und sagte »Herein!« Verwundert betrachtete sie die weißblonde, puppenhafte Frau, die in das Zimmer tänzelte. Auf dem Flur bemerkte sie, während die Tür zuklappte, noch das schnelle Vorbeiwehen eines weißen Kittels und darunter zwei schwarzglänzende, wegeilende hohe Offiziersstiefel.
    »Mainetti!« stellte sich Lisa vor. »Sie möchten mich sprechen?«
    »Ich bin Frau Adam.« Irene Adam sah die Ärztin mit großen, unschuldigen Augen an. Wenn man sie auf den Rücken legt, müßten die Augendeckel zuklappen, wie bei einer Schlafpuppe, dachte Lisa. »Herr Stabsarzt Dr. Urban verwies mich an Sie als die Stationsärztin meines Mannes …«
    Also war es doch Urban, der eben vorbeigehuscht war, dachte Lisa Mainetti. Warum schickt er diese Frau ohne Anmeldung zu mir?
    »Es stimmt, ich bin die Stationsärztin Ihres Mannes. Fritz Adam, nicht wahr?« Dr. Mainetti sprach langsam und vorsichtig. Ein merkwürdiges Gefühl hatte sie vom ersten Augenblick an ergriffen, als Irene Adam ins Zimmer trat. Verstärkt wurde es durch den weghuschenden, weißen Mantel auf dem Flur. »Wie finden Sie Ihren Mann? Sieht er nicht wieder prächtig aus? Und er hat einen so starken Willen, daß er auf andere Kameraden tröstend wirkt.«
    Irene Adam wölbte die Unterlippe vor. Sie setzte sich und stellte ihre große Lacktasche neben sich auf den Boden.
    »Wir sind verheiratet«, sagte sie wie ein schmollendes Kind. »Gewiß. Aber wir kannten uns nur ein paar Wochen, und gleich nach der Hochzeit mußte Fritz wieder an die Front. Eigentlich bin ich gar nicht verheiratet, nicht wahr? Oder kann man ein paar Tage Zusammenleben als Ehe bezeichnen? Wenn man es genau betrachtet …«
    »Was wollen Sie von mir«, unterbrach sie Lisa Mainetti grob. Ein Widerwille, klebrig wie Ekel, stieg in ihr auf.
    Irene Adam sah sie erschrocken an. »Ich wollte mich mit Ihnen über Fritz unterhalten.«
    »Das tun Sie ja bereits in einer reichlich merkwürdigen Weise.«
    »Ich bin gekommen, um Sie um etwas zu bitten, Frau Doktor.« Irene Adam holte aus der großen Lacktasche ein mit Spitzen umsäumtes Taschentuch und betupfte sich damit theatralisch die Augen. »Ich habe Fritz gesehen. Ich wußte, daß er im Gesicht verletzt war. Aber so … die ganze Seite … einfach alles weg … so habe ich mir das nicht gedacht.«
    »Auch Ihr Mann hat sich sein weiteres Leben anders gedacht. Aber es gibt schlimmere Verletzungen als seine. In zwei Jahren wird er wieder menschlich aussehen.«
    »In zwei Jahren!« Irene Adam bekam große, fast unbewegliche Augen wie ein Stofftier. »Aber er wird nie wieder so aussehen wie vorher?«
    »Nein.«
    »Er wird nie mehr schön sein?«
    »Nein.«
    »Aber ich habe damals einen schönen Mann geheiratet. Nur darum habe ich ihn

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