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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatten ihre weißen Kittel an. Dr. Urban allein trug unter dem Arztmantel seine Offiziersuniform und hohe, blankgeputzte Stiefel. Mit hocherhobenem, germanisch-schmalem Kopf überschaute er die Schar der Besucherinnen, und sein Blick blieb an einer jungen Frau haften, die in einem Pelzmantel nahe der Tür saß. Sie hatte zierliche, hochhackige Schuhe an, Seidenstrümpfe, und unter dem offenen Pelz ein Kostüm, dessen enger Rock jetzt hochgerutscht war und die schlanken, langen Beine freigab. Ihr weiß-blondes Haar war aufgesteckt, das Gesichtchen war geschminkt, die vollen Lippen glänzten unter der Zyklamenfarbe eines französischen Lippenstifts. Die dunklen, flinken Augen erfaßten alles, was um sie herum vorging, und erwiderten teils erstaunt, teils herausfordernd den Blick Dr. Urbans.
    ›Sieh an, welch kleines Aas‹, dachte er, und im gleichen Augenblick bemerkte er den Trauring an ihrer Hand. ›Also die Frau eines unserer Gesichtskrüppel‹, dachte er brutal weiter. Undenkbar, daß dieses Weibchen mit einem Menschen ohne Gesicht leben kann. Man möchte fast sagen: Sie ist zu schade dazu.
    Dr. Urban rückte seinen weißen Arztkittel gerade und knöpfte den obersten Knopf auf, damit man die silbernen Offiziersspiegel seiner Uniform sehen konnte. Dann sah er die kleine, kapriziöse Frau wieder an. Sie wich seinem Blick aus, aber es entging ihm nicht, wie sie ihn aus den Augenwinkeln musterte und taxierte.
    Chefarzt Professor Dr. Rusch ging zu einem Stuhl, der vor einem großen, geschmückten Tannenbaum stand. Zwei Schwestern waren noch dabei, mit auf Stöcken gesteckten Kerzen die Lichter anzuzünden. Der Duft angesengten Tannengrüns durchzog den Raum. Weihnachtliche Andacht senkte sich über die dicht gedrängt sitzenden Frauen und die wenigen Männer, die dazwischen saßen. Weißhaarige Väter, die auf ihren verstümmelten Sohn warteten.
    Professor Dr. Rusch umfaßte die Lehne des leeren Stuhles und sah über die ihm zugewandten Gesichter hinweg. Jetzt muß ich etwas sagen, dachte er. Und ich möchte ihnen allen zurufen: Kommt, ihr Mütter und Väter. Nehmt euer Kind mit, stellt es auf die Straße, zeigt es jedem, fahrt mit ihm von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus und schreit: Seht – das ist der Krieg! Das ist seine unauslöschbare Fratze! Das ist von einem jungen, gesunden, schönen Menschen übriggeblieben, einem Menschen, der einmal an Glück und Liebe glaubte und den ich in die Welt gesetzt habe, damit er sich am Leben freuen kann! Und das hier ist aus ihm geworden! Wofür, so frage ich euch alle? Könnt ihr mir sagen, wie es möglich ist, daß eine Handvoll Menschen einen Krieg entfesselt, wo doch Millionen Menschen in Frieden leben möchten? Wo steckt die Wurzel dieses Wahnsinns? Seht euch mein Kind an – das ist der Krieg! Soll euer Kind morgen oder übermorgen genauso aussehen?
    Dr. Lisa Mainetti trat hinter Professor Rusch und beugte sich leicht vor. »Soll ich reden?« fragte sie leise. »Wenn du jetzt sagst, was du denkst, redest du dich um Kopf und Kragen.«
    Professor Rusch sah kurz zu seinem Oberarzt hinüber. Dr. Urban stand neben der kapriziösen jungen Frau und scharrte wie ein verliebter Hund mit den Füßen.
    »Liebe Mütter und Frauen«, sagte Professor Rusch. Seine Stimme war klar, sie weckte Vertrauen durch ihre menschliche Wärme. »Wenn gleich alle Lichter an dem großen Weihnachtsbaum brennen und sich die Türen des Lazaretts öffnen, dann ist das etwas anderes als das Sichöffnen irgendeines Weihnachtszimmers, hinter dessen Tür ein Baum brennt und gutgemeinte Geschenke warten. Auf Sie wartet wirklich ein Geschenk, ein wiedererstandener Mensch, der vielleicht anders aussehen mag als der Mensch, den Sie in Erinnerung haben – aber er ist da, und er ist es wirklich! Mit allen Fasern seines Herzens glaubt er wieder an die Zukunft! Er hat sich zu einem neuen Leben durchgerungen, von dem er lange dachte, daß es das für ihn nicht mehr geben würde. Nun ist er Ihnen zurückgegeben, und das einzige, was dieser Mensch von Ihnen erbittet, nein, ich möchte sagen, was er verlangt, was er fordern kann, ist nichts weiter als Liebe. Nur Liebe! Das ist das größte und das einzige Geschenk, das Sie ihm bringen können. Alles, was Sie sonst in Ihren Taschen mitgebracht haben, können Sie wegwerfen. Es ist nicht wichtig – aber Ihre Liebe ist für ihn das neue Leben, ist seine Stärke, seine Zukunft, sie ist einfach alles für ihn. Ein großer Teil von Ihnen sieht den Sohn

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