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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Laufzettel durch. Der Famulus Baumann kam mit einer Spritze Eukodal und reichte sie ihr stumm. Lisa sah wieder auf das unheimlich klare Auge. Wenn ich ihm jetzt Morphium gäbe, dachte sie, würde er selig einschlafen. Herz und Kreislauf werden das nicht mehr verkraften. Dazu der Blutverlust … Ich kann ihm auch Eukodal und Strophantin geben, dann lebt er weiter … Aber wozu soll er leben? Kann ein Mensch noch leben, den man so zugerichtet hat?
    Lisa legte den Laufzettel beiseite. Mitleid und ärztliches Gewissen rangen einen kurzen Augenblick miteinander.
    »Eukodal und Stroph, Baumann.«
    Baumann reichte ihr die Injektionsspritze, köpfte mit geübter Hand die Ampullen. Dr. Mainetti zog die Flüssigkeit auf und injizierte in den Oberschenkel. »So«, sagte sie aufatmend, und jetzt war ihre Stimme rauh wie nach einer durchschrienen Nacht. Das Eukodal würde reichen, den heftigsten Schmerz zu betäuben, wenn sie das formlose Gesicht untersuchte und die erste Behandlung durchführte.
    Lisa Mainetti wartete, bis kurz nach der Injektion das Auge trüber und kleiner wurde. Es war, als ziehe sich ein Schleier über den Blick. Dann kippte das Auge einfach weg, drehte sich schräg nach oben, und nur der weiße Augapfel, durchzogen von den roten Fäden geplatzter Äderchen, schimmerte gespenstisch unter der starken Lampe über dem OP-Tisch.
    »Er ist bewußtlos!« sagte Baumann überflüssigerweise.
    »Für diese ungemein kluge Bemerkung sollte man Ihnen eine Dozentur anbieten!« sagte Lisa Mainetti grob. »Los! Fahren Sie den Bestecktisch her.«
    Sie kontrollierte mit dem Stethoskop Herzschlag und Puls und begann dann Stück für Stück des zerstörten Gesichtes zu untersuchen, indem sie es abtastete; gleichzeitig diktierte sie einem Sanitäter den Befund.
    Als Lisa Mainetti damit fertig war, lehnte sie sich müde an den OP-Tisch. Auch die OP-Schwester war inzwischen aus der Kapelle gekommen; jetzt stand sie neben Lisa und wischte mit dem Zellstofflappen über die Stirn der Ärztin.
    »Lesen Sie vor«, sagte Lisa. Und während die monotone Stimme des Sanitäters das Diktat vorlas, säuberte sie die schreckliche Wunde, stillte eine Sickerblutung aus der Arteria lingualis, legte einen Druckverband mit eingestreutem Claudenpulver an und injizierte 20 ccm Calciumlösung 10prozentig intravenös.
    »Stirnbein und Schläfenbein rechts zersplittert«, las der Sanitäter und blickte ab und zu auf das völlig formlose Gesicht mit dem umgekippten einen Auge. »Rechtes Auge entfernt. Weichteile der rechten Gesichtshälfte bis zum Ohr einschließlich Oberlippe und Nasenflügel abgerissen. Jochbogen zertrümmert, knöcherner Teil des Oberkiefers sichtbar, Gaumenloch gebrochen, Zähne entfernt. Beweglicher Teil der Zunge abgerissen, Sickerblutung aus der Arteria lingualis rechts. Unterkieferabriß rechts am aufsteigenden Ast, im Gehörgang Blut. Links Unterkieferabriß in der Gegend des ersten Molaren, im Gehörgang links Blut, Schädelbasisbruch, linkes, erhaltenes Auge Bluterguß. Luftröhrenschnitt, im HVP gemacht. Konturen vom Hals bis über den ganzen Brustkorb verstrichen, bretthart, Hämatom. Im vierten Halswirbel Granatsplitter. In der Lendenwirbelsäule mehrere Granatsplitter, fest eingekeilt. Untere Körperhälfte ohne Reflexe.«
    Der Sanitäter schwieg, seine Stimme war heiser geworden. Famulus Baumann reichte Lisa Mainetti eine Spritze mit 1 ccm Clauden. »Das reicht«, sagte er erschüttert. »Wäre es nicht besser, Frau Doktor, wenn er …«
    »Baumann, so etwas zu denken ist verzeihlich, aber trotzdem unwürdig! Solange ein Mensch lebt, sind wir da, dieses Leben zu erhalten.« Lisa injizierte zuerst das Clauden intramuskulär, dann 1 ccm Sympatol.
    Fast eine Stunde lang arbeitete sie an diesem zerstörten Kopf. Sie legte Zugstreifen an, nachdem die Sickerblutung gestillt war, machte einen Kopfverband und einen Polsterverband in der Lendenwirbelgegend.
    Während sie die letzten Handgriffe tat, kam Professor Rusch in den OP. Er hatte den Kreisleiter abgeholt, dabei war ihm an der Pforte der neue Frontzugang gemeldet worden. Ohne weitere Erklärungen hatte er den Kreisleiter unten stehenlassen und war hinüber zum Operationstrakt gelaufen. Verblüfft sah ihm der Parteimensch nach. »Was ist denn los?« fragte er einen Sanitäter, der vorbeikam.
    »Ein neuer Fall.«
    »Und darum die Aufregung?« Der Kreisleiter machte ein beleidigtes Gesicht, weil sich niemand um ihn kümmerte. »Ihr habt doch das ganze Haus voll davon!«
    Mit

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