Das geschenkte Gesicht
Tränen auflöste und wegfloß. Als Adam stiller wurde, legte sie ihm beide Hände auf die zerwühlten Haare.
»Ich habe mit ihr gesprochen«, sagte sie, »und daß sie nicht wiedergekommen ist, daran bin ich schuld.«
»Sie?« Fritz Adam warf sich herum. Sein Gesicht, das wie ein Bratapfel aussah, verzerrte sich noch mehr. »Aber wieso denn, Frau Doktor? Was … was ist denn passiert?«
»Ich habe Ihre blonde Puppe hinausgeworfen!« sagte sie ganz ruhig. »Jawoll, Sie hören richtig: hinausgefeuert habe ich sie. Nur, weil ich sie nicht anfassen wollte, habe ich ihr keinen Tritt in den Hintern dazu gegeben.«
»Aber Frau Doktor«, stotterte Fritz Adam. Seine Augen waren starr, und die Lippen, die erst wieder halb mit Lippenrot bedeckt waren, zitterten wie in einem Krampf. »Sie … sie war doch nur entsetzt. Das ist doch ihr gutes Recht. Sie war immer so zart, so ängstlich, so leicht erschrocken. Man muß ihr Zeit lassen. Und nun tun Sie selbst …« Fritz Adam sprang auf und riß seinen Uniformrock aus dem Kleiderspind. »Wo ist sie jetzt? Ich gehe zu ihr! Sofort! Sie werden sehen, sie hat es gar nicht so gemeint! Ich weiß doch, daß sie mich liebt! Sie hat es mir doch noch vor drei Stunden gesagt.«
Dr. Mainetti hielt Adam am Rockärmel zurück und zog ihn zum Bett.
»Setz dich«, sagte sie.
»Ich muß zu ihr!«
»Setz dich!« schrie Lisa. Fritz Adam zuckte zusammen und setzte sich auf die Kante seines Bettes. Sein Gesicht war ein einziges nervöses Zucken. Stumm, voller Abwehr, starrte er vor sich hin.
»Du gehst nicht zu ihr!« sagte Lisa.
»Doch! Ich liebe sie. Mein Leben hat keinen Sinn mehr, wenn Irene …«
»Keinen Sinn mehr! Wie die kleinen Kinder reden die Männer, wenn sie einen Rock in der Hand fühlen! Mensch, Fritz Adam – besteht denn die Welt nur aus dieser Irene?«
»Meine Welt – ja.«
»Und sie ist einfach nicht mehr da, wenn auch Irene nicht mehr da ist, was? So einfach ist das! Weib weg, Leben weg! Man sollte euch durchprügeln, euch Mannsbilder! Hat dich das Schicksal nur dafür vor dem Tode bewahrt, daß du jetzt alles wegwirfst? Haben wir in zwei Jahren nur darum Stück für Stück deines Gesichtes wiederhergestellt, damit du jetzt sagst: Ohne dieses Weib will ich nicht mehr! Ich haue ab aus dieser Welt! Ist denn der ganze Sinn des Lebens nur diese eine Frau, dieses Modepüppchen, dieses Betthäschen, das nichts als schnurren kann, wenn man es krault, und das wegläuft, wenn ein rauhes Lüftchen weht? Gibt es nicht Tausende von Frauen, die hundertmal wertvoller sind als diese kleine, dumme Hure?«
»Frau Doktor!« Fritz Adam sprang auf. Er hatte die Fäuste geballt, als wollte er Lisa Mainetti ins Gesicht schlagen. »Auch von Ihnen lasse ich meine Frau …«
»Deine Frau!« schrie Dr. Mainetti. »Als ich hierherkam, wollte ich behutsam mit dir sprechen, so wie man zu einem Kranken spricht. Aber ich sehe, daß es sinnlos ist. Du liebst diese Frau, und diese Liebe ist ein Gift, das man nur mit einem Gegengift ausräuchern kann! Jetzt hör einmal zu, du großer, dummer Junge, du Riesenschaf.« Lisa zog Fritz Adam zurück zum Bett und drückte ihn auf die Matratze. Sie sah in seinen Augen ein Flackern und eine panische Angst vor dem, was ihn erwartete. Sie biß einen Augenblick die Zähne aufeinander. Es geht nicht anders, dachte sie. Hier hilft nur ein neuer Schock. Er liebt diese Irene so sehr, daß er ihr alles verzeihen würde. Vielleicht sogar das, was sich da draußen zwischen ihr und Dr. Urban tut. Er ist vernarrt in diese weißblonde Larve, in diesen schlanken, biegsamen Körper, in diese wiegenden Hüften, in die schlanken Beine. Es ist wie ein Wahnsinn in ihm, und solange er davon nicht geheilt ist, wird er nie zurückfinden in das Leben, das so grausam, so mitleidlos, so vergeßlich und so brutal ist.
»Du bist doch ein kluger Mensch«, sagte Lisa Mainetti. »Du hast dein Abitur gemacht, du hast begonnen, Medizin zu studieren. Und dann lernst du diese Puppe kennen und heiratest sie einfach, anständig, wie du bist. Dann kommst du gleich darauf weg, an die Front, und nun bist du wieder da und siehst nicht mehr aus wie der Fritz Adam, der einmal die schöne Irene geheiratet hat. Und diese Irene kommt nun zu mir und sagt: Ich habe einmal einen schönen Mann geheiratet, und wie sieht er jetzt aus? Alles, was ich einmal an ihm liebte, ist weg! Keiner kann es mir zumuten, daß ich mein ganzes Leben …«
»Nein!« schrie Fritz Adam. Er preßte die Fäuste auf seine
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