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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kampfwütig gesenktem Kopf setzte sich der Kreisleiter in Bewegung und ging Professor Rusch zum OP-Trakt nach.
    »Schwer?« fragte Rusch, als er neben Lisa Mainetti stand. Er sah, wie abgespannt und müde sie war, wie ergriffen und noch immer entsetzt.
    »Es ist manchmal nicht mehr zu ertragen«, sagte Lisa leise. »Hast du deinen Parteibonzen mitgebracht?«
    »Ja. Er steht in der Halle.«
    »Bring ihn her und zeig ihm dieses Gesicht. Und dann soll er den Mut haben, von der Ehre und Freude des deutschen Mannes zu sprechen, für Führer und Vaterland sein Blut zu geben!«
    Im Rücken der Ärzte klappte eine Tür, ein Windzug strich unter der heißen Lampe durch. Dr. Mainetti drehte sich schnell um und schrie: »Tür zu! Verdammt!«
    »Bin ich hier richtig?« Der Kreisleiter stand im OP, ein wenig verlegen, in seiner kinderdurchfallfarbigen Uniform wie ein Schmutzfleck inmitten der weißen Kittel. Das Band des Kriegsverdienstkreuzes und das runde Parteiabzeichen leuchteten matt in der grellen OP-Beleuchtung.
    »Sie kommen wie gerufen!« sagte Lisa Mainetti. Professor Rusch trat sie hart auf den Fuß. Sie verzog zwar das Gesicht, aber sie sprach weiter, mit einer vor Erregung zitternden Stimme. »Kommen Sie näher, Herr Kreisleiter. Ich habe die Ehre, Ihnen einen Helden zu zeigen.«
    Der Kreisleiter kam langsam durch die Gasse der weißen Mäntel an den OP-Tisch heran. Noch verdeckte die Gestalt der Ärztin den grauenhaft verstümmelten Kopf des Leutnants Rudolf Fischer.
    »So etwas sieht man nicht alle Tage«, sagte der Kreisleiter. Er spürte, wie ihm unheimlich wurde. Zudem legte sich ihm der Geruch von Chloroform, warmem Blut, Körperausdünstung und Eiter schwer auf Zunge, Gaumen und Magen.
    »Da haben Sie recht«, sagte Lisa Mainetti. Sie trat zur Seite und gab den Blick frei. »Das Gesicht des Krieges«, sagte sie.
    Der Kreisleiter starrte auf das eine umgekippte Auge, auf diesen Kopf, der kein Kopf mehr war. Ein plötzliches Würgen schüttelte ihn, er schluckte krampfhaft, sein Gesicht wurde erst weiß, dann gelb, schließlich farblos. Er griff um sich, suchte Halt, aber niemand war da, der ihn stützte. Da fiel er in sich zusammen und sank ohnmächtig vor dem OP-Tisch auf den Boden.
    Lisa Mainetti sah mit vorgewölbter Unterlippe auf die braune Gestalt hinab.
    »Frohe Weihnachten!« sagte sie laut. Dann verließ sie stumm den OP.
    Während im großen Gemeinschaftssaal die Weihnachtsfeier der Partei abrollte – der Kreisleiter stand vor der Führerbüste auf dem Rednerpult und sprach einige Worte über stilles Heldentum und Vaterlandsliebe, und es war, als würge er Klöße heraus, die in seiner Kehle versteinert waren –, saß Lisa Mainetti auf dem Bett Fritz Adams. Das Zimmer B 14 war leer. Alle Verwundeten saßen unten im Saal, neben ihren Frauen und Müttern und Vätern oder neben den BdM-Mädchen, die die Betreuung alleinstehender Verwundeter übernommen hatten. Der Chor der Waisenkinder sang die alten Weihnachtslieder, der große Tannenbaum funkelte mit seinen Kerzen und seinen aus Stanniol gebastelten Behängen, ein Streichquartett gesichtsverletzter Musiker spielte Stücke von Telemann, Bach und Schütz, die ein ebenfalls verwundeter Kapellmeister für Streicher umgeschrieben hatte. Die Bratsche spielte ein Blinder, ein Granatsplitter hatte ihm beide Augen und einen Teil des Stirnbeins abgesägt. Er spielte aus dem Gehör, sein Kopf nickte leicht, wenn er die Takte zählte, und ein glückliches, weit entrücktes Lächeln spielte um seinen Mund, wenn er die Einsätze fehlerlos fand und der Klang seines ausgezeichneten Instrumentes unter seinen tastenden Händen wundersam und singend aufblühte. ›Lobe den Herren‹, spielten sie, und die Mütter, Frauen und Väter hatten ihre Hände in die Hände der Verwundeten gelegt, als beteten sie gemeinsam in dieser stillen Stunde. Sogar der Wastl Feininger hatte den Kopf gesenkt und hielt die Hand seiner Frau umklammert.
    Oben, auf Zimmer 14, lag Fritz Adam mit dem Gesicht zur Wand und weinte.
    Lisa hatte ihn so angetroffen, als sie, ohne anzuklopfen, in den Raum gekommen war. Sie sah, daß sie nicht viel zu sprechen brauchte. Daß Irene nicht wiedergekommen war, hatte Fritz Adam genug gesagt. Er war mit der gleichen Heftigkeit zusammengebrochen, mit der er sich vorher auf das Wiedersehen mit seiner hübschen, jungen Frau gefreut hatte.
    Nun saß Lisa Mainetti neben ihm, die Hände in den Schoß gelegt, und wartete darauf, daß sich der erste Schmerz mit den

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