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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bekommen.« Dr. Urban ließ Dr. Mainettis Ärmel los. »Was soll schon geschehen?« sagte er. »Sie sind ein merkwürdiges Mädchen, Kollega.«
    Die Operation begann. Professor Rusch kam hinzu, als Lisa schon die Hüfte geöffnet hatte. Er nickte allen zu und begann mit der Ausmeißelung des Spans.
    Nichts geschah. Wie Hunderte von Malen vorher verlief die Operation planmäßig. Rusch arbeitete schnell und sicher wie immer, mit einer Gewandtheit, die an Artistik grenzte. Dr. Urban bemühte sich, das Tempo mitzuhalten und verlangsamte es dadurch. Die Fähigkeit, Griffe vorauszuahnen, die Dr. Mainetti auszeichnete, fehlte ihm völlig.
    Der Knochenspan war eingepaßt, die Kiefernaht war beendet, Professor Rusch begutachtete noch einmal den Kiefer, legte die Nadel hin und trat vom Tisch zurück. Er wusch sich schnell und verließ wieder den OP. Dr. Urban trat zu Dr. Mainetti, die die Hüftwunde versorgte.
    »Na, Sie Unke«, sagte er gut gelaunt. »Was ist mit Ihrer Facies?«
    Dr. Mainetti zeigte auf die offene Hüfte. Das Knochenmark blutete noch, aber das Blut war bläulich, viel stärker und deutlicher, als es bei venösem Blut im allgemeinen der Fall ist.
    »Fällt Ihnen nichts auf?« fragte sie.
    »Nein. Ist doch alles bestens gelaufen!«
    »Sie werden es sehen! Den Chef trifft keine Schuld. Er war ahnungslos.«
    »Was für Unsinn reden Sie bloß?«
    Lisa Mainetti stillte die Blutung, winkte Baumann und verlangte eine Weckspritze. Dann vernähte sie die vier Schichten, klammerte die Epidermis, führte einen Schlauch ein und entfernte Mullbinden und Schlauch der Intubationsnarkose, die Assistenzarzt Dr. Vohrer ausgeführt hatte. Die beiden anderen Ärzte arbeiteten am zweiten Tisch und durchtrennten einen Rundstiellappen auf der linken Brustseite eines Verwundeten.
    Dr. Mainetti fühlte Rumbold den Puls, nachdem sie die Weckspritze gegeben hatte. Der Pulsschlag war unregelmäßig, hüpfte und schlich in stetem Wechsel, das Gesicht des Operierten war spitz und eingefallen.
    »Da haben Sie die Schweinerei, Urban!« sagte Lisa Mainetti grob. »Er wacht nicht aus der Narkose auf!«
    »Vohrer wird ihm zu viel eingepfeffert haben!«
    »Immer die anderen! Nie Sie!« Lisa legte das Stethoskop auf Rumbolds Brust. »Hören Sie sich das an!« Während Urban die Herztöne abhorchte, winkte Lisa Baumann heran.
    »Sympatol!« rief sie. »Und Kampfer! Verdammt noch mal!«
    Wenn Lisa Mainetti fluchte, war dickste Luft. Professor Rusch hörte ihre laute Stimme draußen auf dem Gang und steckte den Kopf herein. Er sah die beiden noch immer um den Patienten bemüht und riß die Tür auf.
    »Was ist denn los?« rief er. Lisa Mainetti injizierte bereits Sympatol und Kampfer. Dr. Urban fühlte den Puls. Er stand bleich und mit verkniffenem Gesicht neben dem ausgestreckten Körper. Als Rusch an den OP-Tisch trat, wagte er nicht, ihn anzusehen. »Was ist denn?« fragte Rusch noch einmal.
    »Er wacht nicht auf! Und der Puls geht weg!«
    »Himmel, Arsch und Wolkenbruch!« schrie Professor Rusch. Er stieß mit den Ellenbogen Dr. Urban zur Seite und beugte sich über Rumbold. Dessen Körper bedeckte sich mit kaltem, klebrigem Schweiß. Ein weißer Fleck bildete sich auf der spitzen Nase, und dieser Fleck wuchs und wuchs und breitete sich über das ganze eingefallene Gesicht aus.
    »Adrenalin!« rief Rusch. »Und eine lange Nadel!«
    Es war zu spät. Bevor Baumann ihm die Spritze reichen und Rusch als verzweifeltes, letztes Mittel die lange Nadel zur kardialen Injektion in den Brustkorb stoßen konnte, hörte die Atmung auf.
    Der Obergefreite Rumbold aus Gelsenkirchen war tot.
    Professor Rusch warf die Spritze auf die Erde. Sie zerschellte, und die Glassplitterchen spritzten durch den OP.
    »Wie konnte das passieren?« schrie er Dr. Mainetti und Dr. Urban an. »Was ist hier versaut worden?«
    Dr. Mainetti drückte dem Toten die Augen zu. »Nichts weiter als die Unkenntnis einer Facies hippocratica«, sagte sie ruhig. »Ich werde den Mann obduzieren und den Beweis erbringen, daß er an einem Wanden Fernthrombus starb. Irgendwo hatte er diesen nichtinfizierten Thrombus sitzen, und der chirurgische Schock, vielleicht schon die Angst vorher hat ihn gelöst, was weiß ich?«
    Professor Rusch wandte sich zu Dr. Urban. Der Oberarzt drehte den Stethoskopschlauch unruhig zwischen den Fingern.
    »Haben Sie den Mann gestern, am Tage vor der Operation, vor den Röntgenschirm gestellt, wie es bei uns Vorschrift ist?« fragte Rusch.
    Dr. Urbans Lippen waren

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