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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß.
    »Nein … acht Tage vorher.«
    Er drehte sich wie eine aufgedrehte, steife Puppe um und ging aus dem Operationsraum. Professor Rusch fuhr zu Dr. Mainetti herum.
    »Und warum hast du die Operation nicht verhindert?« schrie er. In seiner Erregung duzte er sie vor den anderen Ärzten und dem Personal, es war ihm gleichgültig, und er merkte es auch nicht.
    »Ich hatte nur einen vagen Verdacht, eine Ahnung. Es war mir nicht möglich, eine klare Diagnose zu stellen. Vielleicht hätten auch Sie mich ausgelacht, wenn ich vor Beginn der Operation verlangt hätte, daß man sie absetzt!«
    Lisa Mainetti winkte dem Famulus Baumann. »Lassen Sie den Toten wegschaffen, Baumann. Und dann den nächsten Patienten. Dr. Urban hat uns ein großes Programm zusammengestellt.«
    Professor Rusch rannte aus dem OP. Auf dem Flur prallte er auf Dr. Urban, der dort auf ihn gewartet hatte.
    »Herr Professor …«, begann Urban. Rusch hob abwehrend beide Hände.
    »Sprechen Sie mich nicht an, Sie … Sie …«, schrie er.
    »Werden Sie Meldung machen?«
    »Erwarten Sie etwas anderes von mir?«
    »Ist Ihnen noch nie ein Patient gestorben?«
    »Nicht auf diese Art!«
    »Ich … ich bitte Sie, Herr Professor, von einer Meldung abzusehen«, sagte Dr. Urban mit leiser, bebender Stimme. Er war völlig verstört.
    »Sie Stümper!« schrie Rusch. Er kannte sich selbst nicht mehr. Er sah mit innerem Schauder, daß auch in ihm alle Hemmungen zerbrechen konnten. »Sie Schwächling! Sie Emporkömmling! Ich will Sie heute nicht mehr in meinem Lazarett sehen. Bis nach Neujahr nicht!«
    Dr. Urban wandte sich ab und rannte den Flur hinunter bis zu seinem Zimmer. Es war, als flüchte er vor dem Toten, der eben von zwei Sanitätern aus dem OP gerollt wurde. Professor Rusch lehnte sich erschöpft an die Wand.
    Quietschend rollte die fahrbare Trage an ihm vorbei, und die beiden Sanitäter, die sie schoben, machten das Kreuz hohl, strafften sich und hoben die Arme zum Deutschen Gruß.
    Der Übergang von 1944 zu 1945 verlief still auf Schloß Bernegg. Menschen, die keine Gesichter mehr haben, werden nachdenklich, nicht fröhlich, wenn ein neues Jahr beginnt. Man hält Rückschau und denkt an die Zukunft, wünscht sich die Erfüllung heimlicher Gedanken und großer Sehnsüchte und trinkt sehr versonnen das Glas Wein, das aus der Spende eines Würzburger Weinhändlers pro Kopf des Lazaretts zugeteilt wurde.
    Dr. Urban war wirklich weggefahren, wohin, wußte niemand. Er hatte sich bei Professor Rusch nicht abgemeldet. Nach seiner Ansicht war der Hinauswurf Abmeldung genug.
    Fritz Adam feierte mit Dora Graff unten in Bernegg in einem Hotel das neue Jahr. Er hatte am Silvestertag einen Brief an seine Frau geschrieben und ihr mitgeteilt, daß er einsehe, ihre Jugend nicht durch seinen Anblick zerstören zu können. Er gebe sie frei und bitte sie, die Scheidung mit seinem Einverständnis einzureichen. Damit es schneller gehe, nehme er alle Schuld auf sich. Er habe sich in eine Krankenschwester verliebt und gestehe einen Ehebruch ein.
    Er zeigte den Brief Dr. Mainetti, noch bevor sie ihm von dem Anruf Irene Adams berichtet hatte.
    »Hatte ich nicht recht?« fragte sie. »Das Leben geht immer weiter. Wenn Fritz Adam allein stehengeblieben wäre, würde das alle irdischen Gesetze umgeworfen haben.«
    »Sie sind eine wunderbare Frau, Frau Doktor!« sagte Fritz Adam. Man sah, wie er unter seiner verschrumpelten Haut rot wurde.
    »Keine Komplimente. Die machen Sie Ihrer Dora Graff, Adam. Nur halte ich es für Blödsinn, Ihrer Frau von Ehebruch zu schreiben.«
    »Damit es schneller geht, nur darum.«
    »Mann Gottes – wollen Sie zu allem auch noch die Alleinschuld auf sich nehmen?«
    »Ja. Wenn es sein muß.«
    »Es muß nicht. Ich werde auch das für Sie regeln.«
    »Sie? Wie können Sie denn das?«
    »Mein Lieber!« Lisa Mainetti gab Adam den Brief zurück. »Hat es sich noch nicht herumgesprochen, daß ich zu allem anderen auch noch zaubern kann?«
    Die Amüsiergruppe der Stube B/14 zog wieder aus. Der Berliner, der Wastl Feininger und drei andere. Sie hatten bereits bei ihrer Ausquartierung in Sachen ›Heldenklau‹ in Würzburg Hotelzimmer bestellt und hatten bis zum Silvestertag in einem heroischen Kampf mit der Schreibstube um einen neuen Urlaubsschein gestanden.
    »Nichts!« hatte der Schreibstubenfeldwebel gebellt. »Nichts leg' ich dem Chef vor! Nachher sind wir für die Alimente verantwortlich!«
    »An Schmarrn bist!« schrie der Wastl. »Mei Vaterschaft

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