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Das geschenkte Gesicht

Das geschenkte Gesicht

Titel: Das geschenkte Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mainetti. »Er brauchte nicht lange zu leiden.«
    Frau Fischer beugte sich vor und streichelte das rauhe Birkenkreuz. Soviel Liebe lag darin, soviel Hingabe und Verbundenheit, daß Lisa spürte, wie sich ihr Hals zuschnürte vor wilder Ergriffenheit.
    »Er hat sich so auf das Kind gefreut«, sagte Frau Fischer. »Sein letzter Brief kam vor zehn Tagen. Er sollte über Neujahr Urlaub bekommen. Nur zwei Tage. Wissen Sie, wie wunderbar zwei Tage sein können, Frau Doktor?« Sie sah wieder auf das Birkenkreuz. »Kann ich ihn überführen lassen?«
    »Ich werde es für Sie beantragen.«
    Dann standen sie wieder stumm vor dem Grab und nahmen Abschied. Frau Fischer weinte nicht mehr. Eine merkwürdige Starrheit war über sie gekommen. Sie lehnte sich gegen den Schmerz auf. Sie spürte die Regungen des Kindes und ihre große Aufgabe, für dieses Kommende stark zu sein.
    Später saßen sie wieder bei Lisa Mainetti im Zimmer. Die Oberschwester hatte aus dem eisernen Vorrat eine kleine Kanne Bohnenkaffee gekocht. Ein Stück Kuchen, das daneben lag, rührte Frau Fischer nicht an. Das Bewußtsein, ihren Mann nie wiederzusehen, wurde von Stunde zu Stunde stärker und würgte ihr fast das Herz ab.
    »Ich bringe Sie zu Bekannten nach Bernegg«, sagte Lisa Mainetti. »Dort können Sie sich ausschlafen. Wollen Sie morgen zurück nach München?«
    »Ja.« Plötzlich sah die junge Frau auf, und es war eine so merkwürdige Frage, die sie stellte, daß Dr. Mainetti einige Sekunden brauchte, um ihre Verblüffung zu überwinden: »Gewinnen wir den Krieg, Frau Doktor?«
    »Nein!« sagte Lisa.
    »Dann war ja alles umsonst …«
    »Es ist immer vieles umsonst gewesen, was wir Deutschen tun. Nur merken wir es immer erst zu spät.«
    Der Famulus Baumann brachte Frau Fischer mit einem, Kübelwagen des Lazaretts hinunter in den Ort Bernegg. Lisa Mainetti sah ihnen nach, wie sie langsam und vorsichtig mit dem Fahrzeug über den glatten, festgefahrenen Schnee die Straße hinunter in das Städtchen glitten.
    Das Leben auf der Station ging weiter. Dr. Urban kam stiefelknarrend in den Raum.
    »Wieder Unterricht in Defätismus gegeben?« fragte er hämisch. Der Vorfall im OP war für ihn vergessen. Nach seiner Ansicht hatte sich der Chefarzt durch Unterdrückung einer Meldung nur noch mehr in seine Hand gegeben.
    »Es sterben immer die Falschen!« antwortete Lisa grob. »Wollten Sie sich ein Lehrbuch der kleinen Chirurgie bei mir ausleihen?«
    »Nicht so hochnäsig, Kollega! Ich wollte Ihnen nur berichten, daß soeben eine Sondermeldung durchgekommen ist: Die deutschen Truppen sind in breiter Front zur Offensive nördlich Straßburg angetreten und haben die amerikanischen Linien aufgerollt! Es geht wieder vorwärts!«
    Lisa Mainetti griff in ihr Bücherregal und holte ein dickes Buch heraus. Sie warf es Urban auf den Tisch. »Es ist doch besser, Sie studieren noch einmal die Grundzüge der Medizin! Es gibt ein Phänomen, daß bei einem Sterbenden der Puls noch einmal heftig schlägt …«
    »Man sollte Sie einfach umbringen!« sagte Dr. Urban dumpf und verließ das Zimmer.
    Während die Rote Armee die deutsche Ostfront aufriß und über die Warthe hinaus nach Frankfurt/Oder und Küstrin vorstieß, während die letzte deutsche Offensive unter dem heulenden Beschuß amerikanischer Jabos im Elsaß steckenblieb, während ständig neue Verwundete nach Würzburg eingeflogen und auf dem schnellsten Wege nach Bernegg gebracht wurden und das Schloß mehr und mehr zu einem Frontlazarett wurde, begann die erste große Operation am zerstörten Gesicht Erich Schwabes. Lisa Mainetti hielt ihr Versprechen.
    Von Anfang Februar an gab es keine Zeiteinteilung mehr, Tag und Nacht rollten die Transporte heran, und nur an dem Zittern der Beine und dem Zufallen der Augenlider merkte man, daß eine Nacht vorüber war und der Körper nach Ruhe schrie. Dann nahmen die Ärzte eine Tablette Pervitin, tranken starken Kaffee, wuschen sich in eiskaltem Wasser Gesicht und Puls und eilten zurück in den OP, zu den Bahren mit röchelnden, blutenden, zuckenden Leibern. Zu den Männern ohne Gesicht, in deren gräßlichen Wunden jetzt auch noch die Erdklumpen klebten, die Splitter und die zerfetzten Knochenstücke steckten, denn sie kamen jetzt ohne Vorversorgung in den Verbandsplätzen nach Bernegg.
    In den Stuben des Blocks B zog eine gewisse Ratlosigkeit ein. Die verhältnismäßig geruhsame Zeit, in der man die Funktionen eines Gesichts durch große und viele kleine Operationen

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