Das geschenkte Leben
aber du mußt essen, Joan. Wie willst du sonst zu Kräften kommen? Würdest du essen, wenn ich bliebe?«
Sie schenkte ihm Eunices schönstes Sonnenaufgangslächeln. »Ja, Jake, Lieber! Danke.«
*
Cunningham und zwei seiner Leute trugen das Essen auf, und Joan bemühte sich, eine charmante und anmutige Gastgeberin zu simulieren und nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, sie sei freßgierig; alles schmeckte so wundervoll! Aber sie wartete, bis der Kaffee serviert war und Jake ein Glas Portwein akzeptiert hatte, und dann konnte sie sagen: »Danke, Cunningham, das ist alles.«
Als sie allein waren, leitete sie den schwierigsten Teil ihrer Strategie mit der Frage ein: »Jake, wann wird die gerichtliche Anhörung stattfinden, bei der über meine Zurechnungsfähigkeit entschieden wird?«
»Eh? Jederzeit, sobald du dich gut genug fühlst. Hast du es eilig?«
»Nein. Ich wäre völlig zufrieden, für den Rest meines Lebens dein Mündel zu sein.«
Salomon lächelte. »Joan, statistisch gesehen hast du eine restliche Lebenserwartung von rund fünfzig Jahren; meine beträgt nur noch drei oder vier Jahre.«
»Nun … das ist schwierig zu beantworten. Aber wirst du wie bisher als mein Berater und Helfer weitermachen – im persönlichen Bereich wie im geschäftlichen? Oder erwarte ich zuviel?«
Salomon drehte sein Glas zwischen den Fingern und starrte in die kreisende Flüssigkeit. »Joan … sobald das Gericht diese Vormundschaft auflöst, gibt es keinen Grund mehr, warum du deine Angelegenheiten nicht selbst regeln solltest.«
(Joan! Wechsle das Thema; er versucht uns zu verlassen!) (Ich weiß! Sei still!) (Sag ihm deinen zweiten Vornamen!)
»Jake, Lieber … sieh mich an. Jake – ist es so, daß du mich lieber nicht sehen würdest, wie ich jetzt bin?«
Jake Salomon sagte nichts. Sie fuhr fort: »Ist es nicht besser, sich an das zu gewöhnen, was ist … statt davor wegzulaufen? Würde sie – Eunice – nicht wollen, daß du bleibst?«
»So einfach ist es nicht … Joan.«
»Ich glaube nicht, daß du davor weglaufen kannst; sowenig wie ich es kann. Ich kann nicht aufhören zu sein, was ich bin – ihr Körper, mein Gehirn – und es wird dir immer bewußt bleiben. Mit deinem Fortgang würdest du nichts bewirken. Du würdest mich nur meines einzigen Freundes und des einzigen Menschen auf Erden berauben, dem ich völlig vertraue. Jake, weißt du, welchen neuen Namen ich für mich gewählt habe?«
»Eh?«
»Ich heiße jetzt ›Joan Eunice Smith‹. Das ist eine notwendige Verbeugung vor ihr, eine öffentliche Anerkennung, daß ich ihr mein Leben verdanke. Außerdem bin ich zu fünfundneunzig Prozent Eunice … und nur fünf Prozent sind der alte Johann, der jetzt ›Joan‹ heißt. Und selbst diesen Bruchteil kann niemand sehen, nur Chirurgen haben ihn gesehen. Solltest du jemals diesen Bruchteil vergessen – Jake, bitte, sieh mich an – und mich ›Eunice‹ nennen, so wird es mir nichts ausmachen; es ist mein Name. Und solltest du mich absichtlich ›Eunice‹ nennen, so würde es sehr wohl etwas ausmachen, denn ich würde erfreut und geschmeichelt sein. Und wenn es dir gefällt, mich ›Joan Eunice‹ zu nennen, so wird es mich glücklich machen, weil ich die Gewißheit haben werde, daß du es absichtlich getan und mich als das akzeptiert haben wirst, was ich bin.«
»Sehr gut … Joan Eunice.«
Sie lächelte. »Danke, Jake. Ich fühle mich in dieser Haut glücklicher, als ich es bisher war.«
»Hmm. Ja, es ist eine gute Namensänderung – Joan Eunice.«
»Jake, gibt es irgendeinen Grund für dich, heute bis hinaus nach Safe Harbour zu fahren? Ich bin überzeugt, daß Cunningham saubere Socken oder was immer für dich finden kann.«
»Meine Güte, Joan – Joan Eunice –, ich habe schon zwei Nächte hier verbracht. Es wird Zeit, daß ich meine eigenen vier Wände wiedersehe. Es gibt verschiedene Dinge zu erledigen.«
»Glaubst du, eine dritte Übernachtung würde meine Gastfreundschaft über Gebühr strapazieren?«
»Und die Fahrt ist nicht so weit, wie du denkst, weil ich mein Haus in der Enklave vor Monaten zum Verkauf ausgeschrieben habe. Ich habe jetzt Räume im Gibraltar-Klub. Zentrale Lage, gute Bedienung und nichts von den Sorgen und Mühseligkeiten eines eigenen Haushalts.«
»Ich verstehe. Hmm. Ich muß daran denken, selber aus dem Klub auszutreten.« Sie lächelte. »Sie würden mich jetzt nicht mehr einlassen.«
Der Anwalt sagte trocken: »Ich nahm mir die Freiheit, deine
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