Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geschwaerzte Medaillon

Das geschwaerzte Medaillon

Titel: Das geschwaerzte Medaillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Jane Arnold
Vom Netzwerk:
einen Moment abgelegt. Ich fühlte nur das Holz unter meinen Füßen und die Musterung in der Wand, wenn ich meine Hand ausstreckte, um sie zu berühren. Ein Vibrieren fuhr immer wieder durch den Baum und dadurch auch durch mich. Es war ein Zeichen, dass er lebte. Dass er immer noch sein Lied sang. Unaufhörlich und unberührt von den Ereignissen der Welt.
    Ich wandelte immer tiefer hinein und folgte den Stufen, die mich Meter für Meter höher in die Spitze trugen. Es kam der Zeitpunkt, an dem ich mich erinnerte, wohin ich eigentlich ging. Ich war denselben Weg schon vor Monaten gegangen. Die Treppenstufen wurden immer breiter, bis die letzte Stufe nahtlos in einen glatten Boden überging. Der Boden war übersät mit Ringen, die die vielen Jahrhunderte des Singenden Baumes bewiesen. Es war schwer vorstellbar, dass dieser Baum einmal nicht mehr als ein einfacher Samen gewesen sein sollte. Ich ging ganz selbstverständlich zu dem pulsierenden Wurzelknoten in der Mitte des Raumes. Es war das Herz des Singenden Baumes. Ich setzte mich davor, was sich mit dem Kleid als schwieriger erwies, als ich erwartete. Ich war in diesem Moment wirklich froh, dass ich alleine hier war. Ich versuchte, den einzelnen Wurzeln mit den Augen zu folgen. Es war einfach unmöglich. Es war ein Meisterwerk, welches das Auge ewig beschäftigen konnte, ohne dass es je das Rätsel der Verknotungen lösen würde.
    »Was machst du hier? Und am wichtigsten: Was hast du da bitte an?«
    »Heh ... was? Wo kommst du so plötzlich her?«
    Keira erwiderte meinen verwirrten Gesichtsausdruck mit einem Lachen.
    »Bekommst du eigentlich irgendetwas mit oder hältst du dich nur noch in deinen Gedanken auf? Die Sonne ist vor drei Stunden aufgegangen. Du warst nicht in deinem Zimmer, also bin ich dich suchen gegangen. Wie immer ... Und jetzt könntest du meine Fragen beantworten, wenn du so nett wärst. Was machst du hier? Oder eher, was ist das für ein Raum? Und am wichtigsten, ist dir aufgefallen, dass du ein Kleid trägst?«
    Sie grinste mich herausfordernd an. Sie hatte nur zu oft versucht, mich in ein Kleid zu stecken oder wenigstens einen Rock. Ich hatte mich immer erfolgreich wiedersetzt.
    »Ehm... ja ... eh meine Jeans waren alle nass, genauso wie die Shirts. Ich hatte nicht besonders viele andere Möglichkeiten, die mich nicht vor Peinlichkeit hätten sterben lassen.«
    »Okay ... und was ist mit dem Rest meiner Fragen?«
    »Was glaubst du denn? Nach was sieht es aus?«
    Keira verschränkte ihre Arme und sah mit hochgezogenen Augenbrauen auf mich herunter.
    »Spielst du jetzt Therapeut und beantwortest jede Frage mit einer Gegenfrage?«
    Ich zuckte mit den Schultern: »Ich dachte, es wäre offensichtlich. Es ist das Herz des Singenden Baumes.«
    »Oh ... «, war alles, was sie dazu erstmal zu sagen hatte.
    »Die Erinnerungen sind hier erschienen. Die, mit denen wir reden müssen.«
    »Janlan, wie lange hast du geschlafen?«
    Ich sah sie verwirrt an. Das war jetzt gerade wirklich nicht weiter von Bedeutung. Wenn wir schon hier waren, konnten wir auch gleich mit den Erinnerungen reden.
    »Warum hast du dich eigentlich immer dagegen gewehrt, ein Kleid anzuziehen? So schlecht siehst du darin gar nicht aus.«
    Sie musterte mich von oben bis unten, als ich aufstand und anfing, das Herz zu umschreiten. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie die Erinnerungen das letzte Mal erschienen waren. Waren sie nicht einfach aufgetaucht? Oder hatte ich es irgendwie ausgelöst? Meine Erinnerung war zu verschwommen, als dass ich es genau hätte sagen können.
    Das Herz pulsierte in einem stetigen, sich nie ändernden Rhythmus. Ich hatte es inzwischen drei Mal umlaufen. Keira hatte wohl beschlossen, dass meine Müdigkeit mein Denkvermögen beeinflusste und stand schweigend an der hölzernen Wand.
    »Was genau machst du?«, fragte sie schließlich doch.
    »Nachdenken.«
    »Kannst du überhaupt noch denken?«
    Ich ignorierte die Frage. Klar, ich hatte nicht viel geschlafen, aber ich fühlte mich nicht mehr müde.
    »Ich brauche nur ein wenig Hilfe«, flüsterte ich zu niemandem direkt.
    Ich hörte Keiras Schritte, die sich mir allmählich näherten. Sie stellte sich vor mich und verschränkte mit ernster Miene die Arme vor der Brust.
    »Janlan, das bringt jetzt ganz offensichtlich nichts. Wir können später wiederkommen. Vielleicht bekommen wir ja dann Hilfe.«
    Noch bevor sie die letzte Silbe des Wortes ausgesprochen hatte, durchfuhr mich eine Welle der Energie, die nicht

Weitere Kostenlose Bücher