Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
Einzelnen im Raum. Als sie Alex’ Blick begegnete, lag in diesem stummen Blickkontakt eine ganze Welt voller Bedeutung. Ein gegenseitiges Verständnis.
Henry ließ seine Hand über ihren Bauch und zwischen ihre Beine gleiten. »Allmählich wirst du scharf auf mich, was?«
Eigentlich, fand Alex, hätte Jax’ mörderisches Funkeln ihn ein paar Schritte zurückweichen lassen müssen. Tat es aber nicht.
Henry, der es offensichtlich genoss, sie in seiner Gewalt zu haben, betatschte sie weiter, während er mit seiner anderen Hand den Knebel aus ihrem Mund entfernte. Er ließ ihn um ihren Hals baumeln. »Oh, tut mir leid.« Er lachte amüsiert. »Hab dich nicht hören können.«
»Du bist längst tot«, murmelte sie. »Du weißt es nur noch nicht.«
Er zog seine Hand zwischen ihren Beinen hervor und legte sie in gespielter Bestürzung auf sein Herz. »Wirklich? Sag nur, du hast die Absicht, mich umzubringen?«
Dem Ausdruck ihrer Augen konnte Alex entnehmen, dass ihr Zorn dem seinen nicht im Mindesten nachstand. Sie beließ es als Erwiderung bei diesem mörderischen Blick.
»Hast du Alice eigentlich gefunden?«, erkundigte sich die Schwester. Sie war Henrys Spielchen allmählich leid.
Dr. Hoffmann machte eine genervte Handbewegung. »Kein Mensch hat sie gesehen.«
»Wir haben überall nachgeschaut«, meinte Henry und löste seine Aufmerksamkeit von Jax. »Es ist, wie der Doktor sagt. Es gibt nirgends eine Spur von ihr. Sie ist verschwunden.«
Sofort suchte ihr fragender Blick Alex. Der antwortete mit einem kaum merklichen Lächeln. Um ihre Mundwinkel spielte die Andeutung eines Schmunzelns, aus dem er schloss, dass sie begriffen hatte, auf wessen Konto Alices Verschwinden ging.
Doch dann musste sie sich an den Armen hochziehen und die Zehen strecken, um Luft zu holen. Die Anstrengung zwang sie, die Augen zu schließen. Alex konnte sehen, wie sehr sie sich bemühte, ihre Panik zu unterdrücken.
»Vielleicht ist sie aus irgendeinem Grund zurückgegangen?«, schlug Henry vor.
Man begann über mögliche Beweggründe zu spekulieren, warum Alice ohne ein Wort verschwunden war. Offenbar waren sich alle darin einig, dass es für sie typisch war, Dinge zu tun, ohne andere einzuweihen, insofern widersprach dieses Verhalten nicht völlig ihrem Wesen.
Niemand beachtete den in unterwürfiger Körperhaltung dastehenden Alex. Er wollte, dass Jax bereit war. Als sie ihn erneut anblickte, zwinkerte er ihr kaum merklich zu. Ihr Lächeln wurde
breiter und verharrte auf den Lippen, als sie es erwiderte. Er hatte keine Ahnung, ob sie ganz begriffen hatte, was er meinte, oder sich nur ermutigt fühlte.
Henry verlor das Interesse an dem Gerede über Alice. Er zog ein Klappmesser aus seiner Tasche und gab damit jedem zu verstehen, dass es an der Zeit war, fortzufahren. Mit dem Daumen entriegelte er die Sperre und ließ das Messer mit einer Bewegung seines Handgelenks aufschnappen. Einer der anderen beiden Pfleger folgte seinem Beispiel. Alex sah, dass die Schwester eine Spritze bereithielt.
Sie schob ihm den Stuhl von hinten in die Kniekehlen. Während er auf den Stuhl sackte, versuchte er die Spritze am Rande seines Blickfeldes im Auge zu behalten.
Dann plötzlich nahm das Ausmaß seiner Beunruhigung zu. Denn der andere Pfleger trat ganz dicht hinter ihn und stemmte sich gegen den Stuhl, damit dieser nicht verrutschen konnte. Der vor ihm stehende Pfleger mit dem Messer zog eine Handvoll Plastikfesseln aus der Tasche.
Da erkannte Alex, was sie vorhatten.
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»Beeil dich, und bind ihn an den Stuhl«, kommandierte Henry. »Thorazin hin oder her, ich will keine Gedanken darauf verschwenden müssen, dass einer von den beiden ungefesselt ist und plötzlich Schwierigkeiten macht, sobald wir mit dem Schnitzen anfangen.«
Offenbar hatten sie nicht die Absicht, Yuris Erscheinen abzuwarten. Auch wenn das einen Mann weniger bedeutete, um den
sich Alex kümmern musste, so war mit seinem Auftauchen doch jeden Moment zu rechnen. Gut, dass auch dieser teuflische Vendis nicht da war. Die Krankenschwester hatte davon gesprochen, sie seien früh dran. Vielleicht hatte Henry ja beschlossen, den Ruhm – und Jax – alleine einzuheimsen.
Alex behielt die Messerhand des vor ihm stehenden Pflegers im Blick. Er wusste, dass es die Hände waren, die töteten.
»Arme auf den Rücken«, kommandierte der kräftige Pfleger und packte ihn bei den Haaren.
Eins war ihm klar: Wenn sie ihn fesselten, hätte er nicht den Hauch einer Chance, und ebenso
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