Das Gesetz der Vampire
Einflussbereich eines Präfekten liegt, gebietet es die gute Sitte, dass du dich ihm vorstellst, ihm deine Adresse gibst und dich seinem Schutz anvertraust.« Gwynal lächelte leicht. »Oder ihm deine Dienste anbietest. Einen Krieger wie dich wird jeder anständige Präfekt gern in seiner Kolonie haben.«
Er trank einen weiteren Schluck und stellte fest, dass Ashton ihm nicht nur aufmerksam zuhörte, sondern auch nachdenklich geworden war. »Einmal im Jahr trifft sich der Rat der Wächter mit den Präfekten aus aller Welt«, fuhr er fort, »um die Situation unserer Schützlinge zu besprechen, Entwicklungen und Neuigkeiten auszutauschen und zu prüfen, ob irgendwo etwas im Argen liegt. Natürlich entwickeln wir auch Strategien, um das Leben unserer Protegés unter den Menschen zu optimieren und derlei Dinge.«
»Und Phelps ist einer der Präfekten«, warf Ashton ein.
Gwynal nickte. »Es gibt allerdings nicht nur altruistisch eingestellte Präfekten, wie du dir sicher denken kannst, sondern auch solche, die ihr Amt mit dem eines Monarchen verwechseln und ihre Kolonie entsprechend diktatorisch beherrschen.«
»Ist das nicht gegen das Gesetz?«, vermutete Ashton.
»Nicht, solange die Kolonie das mitmacht und sich nicht daran stört und der Präfekt keinen echten Rechtsbruch begeht. Gesetzwidrig wird es erst, wenn der Diktator gegen seine Schützlinge Gewalt anwendet oder sie anderweitig unterdrückt. In letzterem Fall aber auch nur dann, wenn wir Wächter davon Kenntnis erhalten und die Sache vor den Rat bringen. In der Regel beseitigt die Kolonie das Problem selbst, indem sie sich auflöst. Die Betroffenen verlassen das Gebiet des Diktators und siedeln sich in anderen Kolonien an. Das ist dann das Ende seiner Diktatur, denn natürlich verbreitet sich ein solcher Vorfall in Windeseile unter allen Vampiren weltweit. Wo immer der entmachtete Ex-Präfekt danach auftaucht, wird er freundlich aber unmissverständlich gebeten, sich entweder vom Acker zu machen oder sich einem anderen Präfekten zu unterwerfen und sich streng an die Regeln zu halten. Mit anderen Worten, der bekommt keine Chance, jemals wieder irgendwo Präfekt zu werden.«
Ashton nickte nachdenklich. »So wie ich Phelps erlebt habe, kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass er einer der Diktatoren ist.«
»Stimmt. Wir haben ihn schon lange im Auge, aber bisher hat er sich nichts zuschulden kommen lassen, das wir ihm hätten nachweisen können. Der Rat und etliche andere Präfekten sind sich allerdings sicher, dass er die ungesunde Ambition hat, seinen Einfluss auszudehnen und mehrere Kolonien zu schlucken. Zumindest hat er schon des öfteren versucht, anderen Präfekten ihren Einfluss abzukaufen. New York steht ganz oben auf seiner Liste. Das erklärt auch sein Bestreben, seine Geschäftsbeziehungen dorthin auszudehnen. Nachdem durch den kürzlich erfolgten Tod der dortigen Präfektin die Bahn jetzt für ihn frei ist, wird er es sich nicht entgehen lassen, ihre Kolonie zu schlucken.«
Ashton stöhnte. »Das ist alles meine Schuld«, stellte er fest.
»Nein, Ashton. Die New Yorker Präfektin fiel ein paar Tage, bevor du verwandelt wurdest, einem mysteriösen Unfall zum Opfer. Seltsamerweise starb der Verursacher dieses ›Unfalls‹ auf nicht minder mysteriöse Weise noch in derselben Nacht, bevor die Wächter ihn verhören konnten. Du hast nichts damit zu tun.«
»Aber ich bin verantwortlich dafür, dass die New Yorker Kolonie nicht mehr existiert.«
Gwynal gestattete sich ein leichtes Lächeln. »Ich kann dich beruhigen. Deine Freunde von PROTECTOR haben nur drei der Stammbewohner des Black Magic erwischt, die zu stur oder zu selbstsicher waren und unseren Rat zu verschwinden in den Wind geschlagen haben. Die anderen haben sich von New York fern gehalten, solange du dich dort aufhieltest und die Jäger verschärft nach ihnen suchten. Inzwischen sind sie zurückgekehrt, aber sie haben keinen Präfekten mehr. Das macht die Bahn frei für jemanden wie Phelps, der sich anbietet. Da er bereits Richmond regiert, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass New York sich ihm anschließen wird.«
Ashton dachte eine Weile nach. »Vermuten die Wächter, dass er die Präfektin umgebracht hat, um ihren Platz einnehmen zu können?«
Gwynal nickte. »Es spricht einiges dafür. Vampire haben normalerweise keine Unfälle von der Art, der die Präfektin zum Opfer gefallen ist. Kein Vampir schläft kurz vor Morgengrauen bei geöffneten Jalousien direkt vor
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