Das Gesetz Der Woelfe
größter Trumpf darin lag, nicht als solche wahrgenommen zu werden. Und hier lag Claras verzweifelter Ansatzpunkt: Diesen Trumpf würde die weiße Katze nicht unbedacht aufs Spiel setzen wollen. Ein kleiner unauffälliger Mord, vielleicht als Unfall getarnt, o. k., das wäre die passende Lösung gewesen, aber ein Mafia-Mord in München? Eine Attacke gegen eine deutsche Anwältin? Das würde Staub aufwirbeln, mehr, viel mehr, als die weiße Katze hier investieren mochte. Hoffte Clara. Musste sie hoffen. Denn nur so würde sie sich wehren können: Wenn das Risiko, Aufsehen zu erregen, zu hoch würde, musste Barletta abwarten, sich zurückziehen und auf neue Instruktionen warten. Er war fremd hier, nicht in seiner gewohnten Umgebung, und er war im Zusammenhang mit Moros Aussage immerhin schon einmal in einer Polizeiakte namentlich genannt worden … Clara hoffte darauf, dass man Barletta zurückpfeifen würde, wenn seine Bewegungsfähigkeit, seine Möglichkeiten, im Verborgenen zu agieren, weiter beschnitten werden würden.
Das war vielleicht keine Lösung für immer, aber es bedeutete immerhin einen Vorsprung, einen Aufschub, etwas, das Malafonte womöglich das Leben retten würde. Und ihr Elise zurückbrachte.
Sie musste versuchen, einen Druck aufzubauen, der so hoch würde, dass die Sache kippte. Sie hatte kurz überlegt, die Presse für diese Zwecke einzuschalten, den Plan jedoch wieder verworfen. Für eine echte Story konnte sie zu wenige Informationen liefern. Außerdem hegte sie ein tiefes Misstrauen gegenüber Journalisten, vor allem solchen, die für die Boulevardzeitungen auf der Jagd nach Sensationen waren. Sie musste sich an ihre eigenen Waffen halten und sie so anwenden, dass sie für Barletta gefährlich werden würden: Ihn gerichtsbekannt machen, ein Verfahren gegen ihn anzetteln, das es ihm unmöglich machen würde, sich auch nur einen Schritt weiter in Richtung Malafonte oder Clara zu bewegen, geschweige denn, ihnen etwas anzutun. Wenn ihm klargemacht werden konnte, dass in einem solchen Fall der Verdacht unweigerlich auf ihn fallen musste, hatte sie eine Chance. Denn dann würde Barletta zögern. Und das nicht nur, weil er sich vielleicht den Unmut der weißen Katze zuzöge, sondern noch aus einem ganz anderen, persönlicheren Grund; das wurde Clara erst jetzt langsam klar und trug dazu bei, dass ihre Stimmung sich langsam hob: In dem Moment, in dem sich Barletta vor einem deutschen Gericht würde verantworten müssen, stünde er allein da. Ohne schützende Organisation im Rücken. Sie würden ihn nicht unterstützen. Im Gegenteil. Barletta würde vielmehr seinerseits zu einem Unsicherheitsfaktor, zu einer Gefahr für sie werden.
Clara kritzelte ein paar Stichpunkte auf ein Blatt Papier. Wenn sie schon gezwungen wurde, in einem Spiel mitzuspielen, dessen Regeln sie nicht kannte, dann bestand ihre einzige Hoffnung darin zu versuchen, ihre eigenen Regeln anzuwenden und Barletta zu zwingen, sich in ihrer Welt zu bewegen. Sie wollte versuchen, in einem Schnellverfahren eine sofort vollstreckbare einstweilige Verfügung zu erwirken, mit der ihm verboten wurde, sich ihr oder Angelo auch nur zu nähern. Natürlich würde so ein Verbot allein Barletta nicht bremsen. Aber darum ging es Clara gar nicht. Entscheidend war die Konsequenz einer solchen Verfügung. Damit war Barletta aktenkundig, ohne dass es vorher eines aufwendigen Verfahrens oder Beweises bedurfte. Es genügte eine eidesstattliche Versicherung, was so viel bedeutete, wie ein vor Gericht geleisteter Eid. Und wenn sie diese Verfügung gegen Barletta erst einmal in den Händen hielt, würde jede noch so geringfügige Überschreitung, sei sie wahr oder auch nur von Clara behauptet, unweigerlich ein strafrechtliches Verfahren nach sich ziehen. Wenn ihr oder Angelo tatsächlich etwas passieren würde, würde der Verdacht sofort auf Barletta fallen. Und das würde er auf keinen Fall wollen. Das durfte er nicht riskieren.
Clara stand auf und kochte sich frischen Kaffee. Es klang so logisch und einleuchtend. Es klang so, als ob es klappen könnte. Doch noch hatte sie keine solche Verfügung. Und hier lag das eigentliche Problem. Wie sollte sie den zuständigen Richter davon überzeugen, ein Kontaktverbot gegen Barletta auszusprechen? Mit welcher Begründung? Gab sie den wahren Grund an, würde ihr niemand glauben. Gewaltsame Ehe- oder Mietstreitigkeiten, Stalking und andere Belästigungen waren das tägliche Brot des Richters, der sich mit ihrem
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