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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Antrag auseinanderzusetzen hatte, ein geplanter Vergeltungsakt der kalabresischen Mafia gehörte da bestimmt nicht zum gängigen Repertoire. Nachdenklich nippte Clara an dem starken, frischen Kaffee. Plötzlich fiel ihr das gestrige Telefongespräch mit ihrem Sohn wieder ein, und die Erkenntnis, dass man eher geneigt war, an eine einfach gestrickte Lüge zu glauben, als an die womöglich beunruhigendere Wahrheit. Bei einem überlasteten Richter, der sich tagtäglich mit unzähligen Geschichten, wahren und erfundenen, herumplagen musste, war dies sicher nicht anders. Vor Claras geistigem Auge erschien plötzlich sie selbst: Als sie nach dem Pizzeriabesuch mit der geschwollenen Nase bei Rita gewesen war, hatte diese geglaubt, jemand hätte Clara angegriffen. Damals hatte sie noch keinen blassen Schimmer von den Untiefen gehabt hatte, in denen sie sich bewegte. Und was war auf dem Heimweg ihr erster Gedanke gewesen? Süditaliener, na klar, Liebe, Tragik, Leidenschaft! Kennt man ja!
    Clara ließ die Tasse langsam sinken und starrte blicklos zum Fenster hinaus. Das war es. Das würde funktionieren. Darauf ging sie jede Wette ein. Nach kurzem Kampf mit ihrem anwaltlichen Gewissen, in dem dieses angesichts der verschwundenen Elise schnell den Kürzeren zog, schaltete Clara das Diktiergerät an und begann zu sprechen.
     
    Als Clara am nächsten Morgen in die Kanzlei kam, fiel ihr schon von weitem die kaputte Scheibe ins Auge. Eines der großen Fenster des ehemaligen Ladengeschäftes hatte in der Ecke ein Loch, es war notdürftig mit Folie und Klebestreifen abgedeckt. Lange Sprünge zogen sich wie Fäden eines Spinnennetzes über die ganze Scheibe. Clara rannte über die Straße und riss die Tür so heftig auf, dass Linda hinter ihrem Schreibtisch mit einem spitzen Schrei in die Höhe fuhr.
    »Was ist passiert?«, rief Clara atemlos. »Wurde eingebrochen? Ist etwas gestohlen?« Sie hörte selbst, wie schrill ihre Stimme klang, und zwang sich, einen Augenblick Luft zu holen.
    »Nnnein.« Linda stotterte vor Schreck und sah Clara mit ängstlich aufgerissenen Augen an.
    »Das war nur dein Schützling.« Willi stand an das Treppengeländer am oberen Teil der Büroräume gelehnt und schien ebenfalls ein wenig erschrocken über Claras Auftritt.
    »Schützling? Welcher Schützling?«, fragte Clara verwirrt. Im Geiste sah sie niemand anders als Barletta den Stein in das Fenster werfen.
    »Na, der Herr Reisinger.« Linda hatte ihre Stimme wiedergefunden. »Er war so betrunken am Freitag. Er wollte Geld, das habe ich ihm aber nicht gegeben. Dann wollte er unbedingt Sie sprechen, aber Sie waren ja nicht da. Er hat es nicht geglaubt und uns beschimpft. Da musste Herr Allewelt ihn vor die Tür setzen, ich habe ihm geholfen, das war echt harte Arbeit, und Reisinger ist so wütend geworden, hat vor der Tür randaliert, wir mussten zusperren.«
    Linda sah Clara mit vorwurfsvollem Blick an, als sei sie dafür verantwortlich, was sie in gewisser Weise auch war: Herr Reisinger wurde von ihr vormundschaftlich betreut, er war mehr oder weniger obdachlos, schwerer Alkoholiker, und es hatte immer auf der Kippe gestanden, ihn in eine geschlossene Anstalt einweisen zu lassen. Jetzt war es wohl so weit. Clara seufzte, dennoch war sie erleichtert, dass es nicht Barletta gewesen war. »Und dann?«, wollte sie wissen.
    »Dann ist Herr Reisinger davongetorkelt, und mit einem Pflasterstein wiedergekommen«, informierte sie Willi trocken. »Er konnte kaum den Stein halten, so hinüber war er, aber die Scheibe hat er dann doch getroffen. Ist allerdings danach selbst hineingefallen«, fügte er hinzu.
    »Und wo ist er jetzt?«
    »Im Krankenhaus. Hat sich die Hand und das Gesicht aufgeschnitten. Du sollst anrufen. Sie wollen ihn, glaube ich, erst einmal dabehalten.«
    Clara nickte. »Mach ich. Später.« Sie kramte in ihrer Tasche herum und fand endlich das Band, das sie gestern diktiert hatte. »Könnten Sie das bitte gleich für mich schreiben? Es ist sehr wichtig.«
    Linda nahm es mit ihren silbern lackierten, sorgfältig manikürten Händen entgegen und schob es in das Abspielgerät. Als Clara mit Willi nach oben ging, flogen ihre Hände bereits anmutig über die Tastatur.
    »Wo ist Elise?«, wollte Willi wissen, als er sich hinter seinen Tisch klemmte und seine Brille von der Stirn wieder hinunter auf seine Nase schob.
    »Weg.«
    Willi blinzelte sie erstaunt an. »Wie weg?«
    Clara erzählte es ihm.
    Willi hörte aufmerksam zu und meinte dann vorsichtig:

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