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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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in Deutschland unterhält. Als Anschrift konnte er nur die Adresse einer Pizzeria angeben.« Er drückte auf den Lautsprecherknopf: »Heinzeller und Lieroth bitte in den Sitzungssaal.« Als die Türe sich öffnete und zwei Polizeibeamte hereinkamen, sprang Angelo Malafonte auf. Wie ein gehetztes Tier blickte er sich um, und sein Blick blieb an Clara hängen. Die beiden Beamten legten dem jungen Mann Handschellen an. »Gemma!«
    Clara blickte ihm nach, noch immer fassungslos. »Es tut mir leid«, murmelte sie. »Es tut mir so leid.« Dann packte sie mit gesenktem Kopf ihre Papiere zusammen und verließ grußlos den Saal.
    Clara rannte an der Pforte vorbei, als wäre sie auf der Flucht. Zum Glück kannte der Beamte die kleine, rothaarige Anwältin mit dem energischen Kinn und dem extravaganten grünen Tweedmantel, sonst hätte er sie womöglich festgehalten. So blickte er ihr nur verblüfft nach, als sie an ihm vorbeirauschte, mit hochrotem Kopf, das Kinn kämpferisch nach vorne gestreckt. Claras Hände zitterten, als sie vor dem Gerichtsgebäude ihre Zigaretten hervorkramte und erfolglos versuchte, sich eine anzuzünden. Ein Kollege, den sie flüchtig kannte, gab ihr im Vorbeigehen Feuer. Sie warf ihr leeres Feuerzeug mit einer heftigen Bewegung in die staubgrünen Blumenrabatten, die sogar jetzt, im frühlingshaften März, aussahen, als seien sie nach einem Umzug in der alten Wohnung vergessen worden, und nahm einen tiefen Zug. Vergeblich versuchte sie, sich zu beruhigen. Ihr Herz hämmerte im Hals, und sie spürte die Wut bis in die Fingerspitzen. Distanz, Distanz, flüsterte eine Stimme irgendwo in ihrem Kopf, leise und ohne Chance. Sie krümmte ihre Finger wie zu Krallen, und wäre ihr Richter Oberstein jetzt gegenübergestanden, sie wäre ihm an die Kehle gefahren.
    Rauchend und mit klappernden Stiefeln stapfte sie die Treppen hinauf zur Nymphenburger Straße und hastete weiter bis zur Blutenburgstraße. Es gab nur ein einziges Mittel, ihren Blutdruck und ihren Puls wieder halbwegs auf Normalmaß herabzusenken, und dieses Mittel befand sich in der Blutenburgstraße. Genauer gesagt in Murphy’s Pub gegenüber dem kleinen asiatischen Laden, in dem es den besten Basmatireis in ganz München zu kaufen gab. Das Pub hatte schon geöffnet, und Clara trat dankbar in die kühle Düsternis des Lokals ein. Hinter dem Tresen stand Mick, ein junger Engländer, der das Pub vor einiger Zeit von Owen Mac Murphy, den es zurück in seine Heimat gezogen hatte, übernommen hatte. Er trocknete gerade Gläser und summte ein Lied. Es klang herzzerreißend falsch. Clara atmete mit einem Seufzer aus. Sie hängte ihren Mantel an einen der schmiedeeisernen Haken an der holzgetäfelten Wand und kletterte auf den Barhocker. Mick grinste sie an. »A bissel früh heute, Clara?« Clara grinste zurück. Sie liebte seinen englisch-bayerischen Akzent.
    »Keine Sekunde zu früh, keine einzige Sekunde.«
    In Gedanken an die gerade überstandene Verhandlung zogen sich ihre Augenbrauen zu einer steilen Falte zusammen, und Mick griff flink nach einem Whiskeyglas, das er unter der Theke aufbewahrte und das Clara gehörte. Sie hatte es ihm irgendwann mit einem wehmütigen Lächeln in die Hand gedrückt. »So ein Glas kann nicht in einem Küchenschrank stehen, es gehört in ein Pub.« Seitdem war dies Claras Glas bei Murphy’s, und es hatte bisher nur einen Whiskey zu sehen bekommen, den einzigen, den Clara trank: Redbreast. Als Clara nickte, schenkte Mick ihr großzügig ein. Sie trank nicht sofort. Sie genoss das intensive Aroma nach Rauch und Meer und schloss für einen Augenblick die Augen. Sie sah eine schmale gewundene Straße vor sich, die sich zwischen moorigen Hügeln hindurchwand, endlos, dem grauen Himmel entgegen. Flechten, ockergelb und rot, auf den Steinen am Strand bei Ebbe und das Januarlicht, das tief und in langen Strahlen den Ginster leuchten ließ. Ein anderes Bild, die Luft, zum Schneiden dick, in einem engen Raum voller Menschen. Lachend, rufend, erwartungsvoll. Ein paar Töne auf einer Gitarre … Clara kippte das große Glas in einem Schluck und genoss die scharfe Wärme, die ihre Kehle hinunterrann. Mick und Murphy’s Bar erschienen wieder vor ihren Augen, und sie seufzte. »Sean ist in Irland«, begann sie unvermittelt und schob Mick ihr Glas noch einmal hin. »Bei seinem Vater.«
    Mick füllte es großzügig. »Und du bist sauer, weil du hier bist und nicht dort.«
    »Nein! O Gott, nein, ich bin sauer, weil ein Arsch von

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