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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Aber dennoch kreisten ihre Gedanken um die Tatsache, dass Malafonte gewusst oder zumindest geahnt haben musste, dass so etwas passieren würde. Er war auffallend still gewesen, als das Urteil verkündet wurde. Verängstigt, in die Enge getrieben, ja, das war deutlich gewesen, aber hätte er sich nicht empören müssen? Protestieren? Clara zuckte ratlos mit den Schultern. Im Grunde hatte er sich nicht einmal verteidigt. Es schien, als habe er längst mit einem Schicksal abgeschlossen, das er unweigerlich auf sich hatte zukommen sehen. Vom ersten Moment an. Darum war er auch so spät zu ihr gekommen. Er hatte gar keinen Sinn darin gesehen, sich zu wehren. Als ob er gewusst hätte, dass es umsonst sein würde. Und es war umsonst gewesen. Und was, wenn Malafonte weiter recht behalten würde? Konnten sie ihn deswegen tatsächlich nach Italien zurückschicken? Ihr fiel die Notiz in der Zeitung wieder ein, die sie am Morgen der Verhandlung gelesen hatte, über die italienische Familie, die man aus Bayern abgeschoben hatte. Auch wenn sie es sich nicht vorstellen konnte, es passierten offenbar solche Dinge. Und dann? Clara fühlte, wie sich etwas in ihrem Magen zu einem kleinen, bösen Knoten zusammenzog, als sie an Malafontes Worte dachte: Sie werden mich töten .
    Was hatte das zu bedeuten? Sie war versucht gewesen, die Aussage abzutun und Malafontes Nervosität zuzuschreiben, aber es war ihr nicht gelungen. Zu tief hatte sich ihr sein Gesicht in diesem Moment eingeprägt. Er war nicht nervös gewesen, weil er sich wegen ein paar Gramm Marihuana vor Gericht verantworten musste. Es war die nackte, blanke Todesangst gewesen, die ihr aus seinen Augen entgegengestarrt hatte. Und was, wenn dies nicht nur seiner übersteigerten Einbildung entsprang? Wenn er tatsächlich in ernster Gefahr war? Der Knoten in Claras Magen wurde größer. Sie fröstelte ein wenig. Doch wie konnte das zusammenhängen? Und vor allem, weshalb sollte ihn jemand töten wollen? Wer? Und was hatte Richter Oberstein damit zu tun?
     
    Clara biss sich auf die Lippen und beschleunigte ihren Schritt. Sie tat es schon wieder. Sie war zornig auf sich, und das nicht zum ersten Mal. Sie hatte es sich so fest vorgenommen und war auf dem besten Wege, all ihre Vorsätze bei der ersten Gelegenheit über den Haufen zu werfen: Sie war dabei, die Distanz zu verlieren. Wieder einmal. Ein Fall, ein Mandat, eine Aufgabe. Sie gut zu machen, war eine Sache. Ehrensache. Aber damit genug. Zu verlieren war keine Schande, sondern Teil des Geschäfts. Punkt. Basta. Sie schüttelte heftig den Kopf und versuchte, all die düsteren, paranoiden Gedanken, die sie so unerwartet erfasst hatten, abzuschütteln. Ihr Blick fiel auf Elise, die in einer wenig eleganten Pose am Wasser stand und mit sich zu kämpfen schien, ob sie eine Pfote in das frühlingsfrische Wasser tauchen sollte oder nicht. Jedes Mal, wenn eine der winzigen Wellen an die Steine klatschte, sprang sie zurück und bellte das Wasser wütend an.
    Clara lachte auf, und der Knoten in ihrem Magen löste sich langsam. Sie setzte sich auf einen Stein. Die Isar schimmerte jetzt golden, und rechts von ihr lag das Deutsche Museum, erhaben und entrückt im morgendlichen Dunst. Mitten in der Stadt am Flussufer zu sitzen, kam ihr jedes Mal unwirklich vor. Sie kramte in ihren Taschen und fand eine zerdrückte Schachtel Zigaretten. Eine war noch übrig. Während sie rauchte, musste sie lächeln. Ihr Unbehagen, ihr Zorn über sich selbst, waren zurückgedrängt. Für dieses Mal. »Du wirst es nie lernen, Clara Niklas. Niemals.« Und es war gut so.
     
    Die Kantine des Strafgerichts war ähnlich geschmackvoll eingerichtet wie das übrige Gebäude. Clara vermied es normalerweise, dort auch nur eine Tasse Kaffee zu trinken, doch heute begab sie sich mit einer gewissen Vorfreude hinein. Zur Mittagszeit waren hier nicht nur die meisten Richter und Staatsanwälte anzutreffen, sondern auch eine Menge Kollegen. Sie musste auch nicht lange auf die erhoffte Gesellschaft warten. Während sie noch die Scheibe Leberkäse mit Kartoffelsalat auf ihrem Teller misstrauisch beäugte, kam Frau Rechtsanwältin Elisabeth Bloch-Stiegler mit ihrem Tablett auf sie zu. »Ist bei Ihnen noch frei, Frau Kollegin?«
    Clara konnte ihr Glück kaum fassen. Wenn es jemanden gab, der in der Welt der Justiz über jedes noch so kleine Gerücht Bescheid wusste und bereitwillig darüber Auskunft gab, dann war es diese Dame im anthrazitgrauen Kostüm. Sie brauchte nur zu

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