Das Gesetz Der Woelfe
nicken, und schon saß ihre Nachrichtenquelle neben ihr. Doch Neuigkeiten waren auch bei Frau Kollegin Bloch-Stiegler nicht umsonst zu haben, sie hatten ihren Preis. Und tatsächlich schob sie in Erwartung eines lukrativen Tauschgeschäftes sofort ihre spitze Nase in Claras Richtung: »Ich habe gehört, Ihr Kollege, wie heißt er noch mal, vertritt einen der Kläger in dem Prozess gegen die Lewis and Spencer Holding?«
Clara nickte lächelnd. »Er vertritt drei der Kläger, um genau zu sein.«
»Tatsächlich?« Frau Bloch-Stieglers Nase zitterte ein wenig. Dieser Fall eines ehemals sehr populären Finanzdienstleisters mit Sitz auf der Isle of Man, der kürzlich mit seinen betrügerischen Machenschaften aufgeflogen war, hatte in der Stadt für erheblich Furore gesorgt: Wie sich herausstellte, hatten zahlreiche Prominente, Stadträte und sonstige Honoratioren in gieriger Erwartung horrender Renditen dem Unternehmen ihr Geld anvertraut und sahen sich nun, da ihre Namen öffentlich geworden waren, genötigt, dem Finanzamt zu erklären, woher diese Gelder eigentlich stammten. Der Prozess, der nun gegen die Verantwortlichen angestrengt worden war, war nicht nur finanziell interessant für die Anwälte, die das Glück hatten, einen der Beteiligten zu vertreten, sondern vor allem auch wegen der immensen Publicity. Dass Willi so ein dickes Mandat ergattert hatte, lag an den noch immer bestehenden Kontakten zu seiner alten Kanzlei und an seiner Begeisterung für alles, was möglichst verwirrend, kompliziert und mathematisch zu werden versprach. Dinge also, mit denen Clara herzlich wenig anfangen konnte, weshalb ihr die Fälle der geschlagenen Ehefrauen, der betrunkenen Radfahrer und kiffenden Pizzabäcker blieben.
Frau Bloch-Stiegler zögerte, und Clara wusste genau, weshalb: Sie suchte nach einer höflichen Formulierung für die Frage, die ihr auf der Zunge brannte, und die lautete: »Wie um alles in der Welt kommen Sie mit Ihrer mickrigen Wald-und-Wiesen-Kanzlei zu so einem Mandat?«
Normalerweise hätte Clara sie auflaufen lassen und genüsslich dabei zugesehen, wie sich ihre gnadenlos ehrgeizige Kollegin vergeblich abmühte, einen diplomatischen Weg zu finden, um ihren Wissensdurst zu befriedigen. Doch heute war ihr nicht an diesem Vergnügen gelegen, immerhin hatte sie auch ein starkes Bedürfnis nach Klatsch und Tratsch, und so kam sie ihr ungewohnt sanftmütig zur Hilfe: » Dr. Willi Allewelt war früher bei Herrhausen, Lüderitz & Partner, wussten Sie das nicht? Da hat man eben so seine Beziehungen.«
Elisabeth Bloch-Stiegler riss ihre sorgfältig geschminkten Augen auf: »Bei Herrhausen! Tatsächlich! Und dann hat er sich selbstständig gemacht , mit Ihnen ? Äh …«
Sie biss sich erschrocken auf die Lippen, doch Clara lächelte nur milde: »Er war der Meinung, eine neue Herausforderung täte ihm gut. War doch ein wenig langweilig dort«, sagte sie leichthin und biss endlich mit Todesverachtung in ihren Leberkäse.
»Oh, natürlich.« Frau Bloch-Stiegler verstummte einen Augenblick, unsicher, ob Clara sie auf den Arm nahm.
»Hatten Sie schon etwas mit unserem neuen Strafrichter zu tun?«, fragte Clara schließlich aufs Geratewohl in die Stille hinein. Sie war der Ansicht, jetzt genug dafür getan zu haben, ihrerseits ein paar nützliche Informationen zu erhalten.
»Mit wem?«
»Richter Oberstein.«
»Ach, mit dem …«, kam es gedehnt zurück. »Wieso?«
»Nur so.« Clara schob sich eine Gabel Kartoffelsalat in den Mund. »Ist er so schlimm, wie man sagt?«
»Sagt man das?« Frau Bloch-Stieglers übliche Mitteilsamkeit war deutlich ins Stocken geraten. »Also, ich hatte noch keinerlei Schwierigkeiten mit ihm. Ü-ber-haupt nicht.« Sie säbelte an ihrem Leberkäse herum, als handelte es sich um ein T-Bone-Steak. »Hören Sie nicht darauf, was die Leute erzählen, ich komme gut mit ihm zurecht.«
»Da sind Sie aber die Einzige, verehrte Frau Kollegin«, dröhnte es vom Nachbartisch herüber. Ein Bär von einem Mann saß dort bei einer Tasse Kaffee und einer gut zwanzig Zentimeter dicken Akte, aus der die Seiten herausquollen. Er war Ende fünfzig, trug einen zerknitterten Anzug und hatte seine dichten grauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Rechtsanwalt Arno Pöttinger. Als Clara ihn freudig begrüßte, packte er seine Sachen unter den Arm und kam zu ihnen herüber. Frau Bloch-Stiegler schien verstimmt darüber. Pöttinger zwängte seinen beachtlichen Leibesumfang in einen Stuhl und ließ die Akte
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