Das Gesetz Der Woelfe
die Sache ist erledigt, verstehen Sie, er-le-digt!« Sie schrie jetzt fast, wohl wissend, dass sie damit gar nichts ausrichtete.
Der Polizist zuckte mit den Schultern: »Das ist nicht mein Problem, Frau Anwältin. Da müssen Sie eben Rechtsmittel gegen die Verfügung einreichen, dann wird das geprüft.« Er reichte ihr einen Satz Blätter: »Hier die Ausfertigung des Bescheides zu Ihrer Kenntnis …«
Clara riss sie ihm ungnädig aus der Hand. »Also gut. Es wird nicht lange dauern, bis das geklärt ist. Wo bringen Sie ihn solange hin?«
Der Beamte sah auf seine Uhr. »Um neunzehn Uhr sieben geht der ICE vom Hauptbahnhof.«
»Heute?« Clara sah ihn ungläubig an. »Sie schicken ihn heute noch nachhause zurück?«
Der Beamte schüttelte den Kopf. »Nicht bis nachhause, der deutsche Staat kommt nur für eine Fahrkarte bis Bozen auf.«
»Wie großzügig! Warum werfen Sie ihn nicht gleich am Brenner aus dem Zug?«
Der Polizist war unempfänglich für jede Form von Ironie. Er meinte ungerührt: »Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies untunlich ist. Die betreffenden Personen kommen unverzüglich und ohne gültige Fahrkarte zurück, sodass die Kosten für eine erneute Rückführung höher sind als eine Fahrkarte bis nach Bozen. Dort gibt es entsprechend scharfe Kontrollen, die dafür sorgen, dass die Straftäter nicht auf Kosten der Bahn einen unerlaubten Rückreiseversuch unternehmen.« Er reichte ihr ein weiteres Blatt: »Würden Sie bitte den Empfang des Bescheides hier bestätigen?«
Clara starrte ihn an. »Einen Teufel werde ich tun.«
Der Beamte blinzelte irritiert: »Aber … ich habe Ihnen den Bescheid überreicht«, er sah sich Hilfe suchend um, als erwartete er, dass er einen Zeugen dafür brauchte. »Sie müssen das unterschreiben!«
»Wissen Sie was?« Clara machte keine Anstalten ihm das Blatt Papier, das er ihr entgegenhielt, abzunehmen. »Sie können sich damit Ihren Hintern abwischen, wenn Sie wollen.«
Doch Claras unbändiger Zorn änderte nichts daran, dass Angelo Malafonte, der überhaupt nicht recht zu begreifen schien, was mit ihm geschah, von den Beamten mitgenommen und in den VW verfrachtet wurde. Clara konnte nur hilflos dabeistehen und zusehen, wie der Bus abfuhr und sich in den fließenden Verkehr einordnete, auf dem Weg zum Hauptbahnhof. Sie sah auf die Uhr. Es war kurz nach sechs. Kein Eilantrag würde bis sieben Uhr zu beschaffen sein. Doch sie musste es versuchen. Sie rannte zu Willi, der, noch immer ahnungslos in dem um die Ecke geparkten Auto wartete. »Schnell, fahr los! Zum Gericht.«
Sie sprang ins Auto, und Willi fuhr überrumpelt los. Während Clara mit noch immer vor Wut zitternder Stimme berichtete, was soeben geschehen war, begann Willi zu begreifen, und mit jedem Satz, den er zu hören bekam, drückte er ein wenig mehr aufs Gas, unternahm einige Überholmanöver, die in die Kategorie waghalsig bis kriminell einzustufen waren, und sorgte für wütendes Hupen und beleidigende Gesten seitens der übrigen Verkehrsteilnehmer. Doch Willis vorübergehende Anwandlung von Gesetzlosigkeit verpuffte folgenlos. Sie kamen trotzdem erst kurz vor sieben am Gericht an, und als sie endlich den für Eilanträge zuständigen Richter aufgespürt hatten, der ihnen äußerst unwillig zuhörte, war es bereits zehn nach sieben.
Der Richter bequemte sich dennoch, zum Telefon zu greifen, und wählte die Nummer der zuständigen Beamten. Nach einem kurzen Gespräch wandte er sich mit bedauernder Geste, die jedoch seine Erleichterung kaum verhehlen konnte, den beiden zu: »Bedaure, aber der Zug ist bereits abgefahren. Nachdem also die drohende Abschiebung bereits vollzogen ist, besteht für mich keine Möglichkeit, Ihrem Antrag stattzugeben.«
Clara fuhr trotzdem zum Bahnhof. Willi ließ sie am Haupteingang aussteigen und versprach zu warten. Clara rannte durch die Halle, vorbei an den Ständen mit Süßigkeiten, Zeitungen und Pizzaschnitten. Die große Anzeigentafel zeigte noch den Zug um neunzehn Uhr sieben an: München - Roma stand dort, über Innsbruck - Bozen - Florenz. Dann blätterten die Buchstaben um und wurden durch die nachrückende Verbindung ersetzt. Sie ging zu dem Gleis, doch natürlich war es leer. Der Zug war längst abgefahren, und Angelo saß darin, mit nichts als seiner Sporttasche und keinem Plan, wie es weitergehen sollte. Sie hatte ihm noch das Geld zugesteckt, das sie bei sich gehabt hatte. Es waren nicht mehr als fünfzig Euro gewesen. Dann hatte sie ihn beschworen, sie
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