Das Gesetz Der Woelfe
saßen dort und beobachteten ihre Kinder, die damit beschäftigt waren, die Erde unter den Pflanzen aufzuwühlen.
Clara ging mit Angelo zum Eingang und las die unzähligen Namen neben den Klingelknöpfen, bis sie den richtigen fand: M. Mazza stand dort auf einem handgeschriebenen Klebestreifen. Sie klingelte. Während sie schweigend auf das Summen des Türöffners warteten, sah sich Clara unauffällig um. Doch von Barletta oder einem schwarzen Motorrad war nichts zu sehen. Sie kramte in ihrer Tasche und reichte Angelo ihre Visitenkarte. »Es steht auch meine Privatnummer auf der Karte. Falls Sie noch etwas brauchen oder … etwas passiert, können Sie mich jederzeit anrufen.« Sie sah ihn eindringlich an: »Wirklich jederzeit.«
Angelo nickte und nahm das weiße Kärtchen. Dann schob er es in seine Hosentasche.
Sie reichte ihm die Hand, um sich zu verabschieden. Im gleichen Moment ertönte eine hektische, durch die Sprechanlage verzerrte Frauenstimme. »Signor Malafonte? Signor Angelo Malafonte?« Der Lautsprecher knackte.
Angelo beugte sich vor: »Sì, sono io, Signora.«
Clara begann sich zu wundern, warum ihnen nicht die Tür geöffnet wurde. Plötzlich ertönte wieder die Frauenstimme. Sie schien aufgeregt, redete schnell und undeutlich auf Italienisch und Clara verstand kein Wort. Doch sie sah Angelos Gesicht, während er angestrengt den Worten der unsichtbaren Frau lauschte. Anfängliche Verständnislosigkeit wich tiefem Erschrecken, und er wurde blass. Er murmelte etwas in das kleine Mikrofon, und gleichzeitig ertönte der Summer.
»Was ist?«, wollte Clara wissen.
Angelo sah sie mit aufgerissenen Augen an. »Polizei.« Er drehte sich mit panischem Blick um, als wolle er sich nach einem Fluchtweg umsehen, und erstarrte.
Clara folgte seinem Blick. Und tatsächlich, auf der anderen Straßenseite parkte ein Polizeibus. Zwei Beamte saßen darin. Clara nahm Angelo am Arm. »Das muss ein Irrtum sein. Die können nicht wegen Ihnen da sein.«
Doch sie war beunruhigt, und Angelo schüttelte den Kopf, Panik im Gesicht. »Die Signora hat gesagt, sie warten oben auf mich. Zwei Polizisten. Sie warten auf mich.« Er machte eine hastige Bewegung und riss sich von Clara los.
Clara sah, wie die Beamten in dem VW-Bus aufmerksam zu ihnen herübersahen, bereit, aus dem Auto zu springen und die Verfolgung aufzunehmen, sollte Angelo eine Flucht versuchen. Clara fiel auf, dass der hintere Teil des Wagens vergittert war. Es gab keinen Zweifel: Sie waren wegen Angelo Malafonte hier. Aber weshalb? Es konnte nur ein Irrtum sein. Clara drückte die Glastür auf: »Kommen Sie, wir gehen jetzt nach oben und klären das auf.« Sie versuchte, gelassen zu wirken. Angelo warf ihr einen zweifelnden Blick zu, folgte ihr dann aber.
»Das ist nicht Ihr Ernst!« Clara schäumte vor ohnmächtiger Wut. Sie starrte auf die Handschellen, die sich in dem Moment um Angelos knochige Handgelenke geschlossen hatten, als sie die Wohnung von Ritas aufgeregter Bekannten betraten.
Doch der Beamte ließ sich von Claras Zorn nicht im geringsten aus der Ruhe bringen und las weiter aus dem Bescheid vor, den er in Händen hielt und den ein pflichtbewusster Dolmetscher an seiner Seite gerade zu übersetzen begann: »… wird die unverzügliche Abschiebung des italienischen Staatsbürgers Angelo Malafonte, geboren am 12.03.1983, veranlasst aufgrund Artikel …«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«, sagte Clara noch einmal fassungslos.
Der Beamte unterbrach sich und musterte Clara über seine randlose Brille hinweg. »Glauben Sie vielleicht, wir machen das zum Spaß?«, meinte er trocken, dann schob er die Brille wieder zurecht und las weiter aus der Begründung für die Abschiebung: »Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz … zu Freiheitsstrafe verurteilt …«
»Halt!« Clara klopfte mit dem Zeigefinger auf das Blatt in seinen Händen: »Die Strafe wurde aufgehoben.«
Der Beamte blätterte umständlich in den Papieren herum. »Das ist nicht ganz richtig, Frau Anwältin. Die Strafe wurde nicht aufgehoben, sondern nur herabgesetzt und mit der Untersuchungshaft verrechnet. Nach den Bestimmungen des Gesetzes reicht zur Abschiebung eines straffälligen Ausländers auch eine geringe Strafe …« Er senkte den Kopf und las vor: »… liegt es im Ermessen der zuständigen Behörde, eine Abschiebung zu verfügen, wenn die Gefahr besteht, dass …« Clara ließ den Beamten nicht ausreden: »Ich kenne das Gesetz. Aber hier besteht keine Gefahr, überhaupt keine,
Weitere Kostenlose Bücher