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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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auf den Tisch plumpsen. Er deutete darauf: »Komplizierte Sache. Die Ermittlungsakten allein füllen schon ein paar Aktenordner. Wissen Sie, wie lange unser Amtsrichter Oberstein diesen Fall verhandeln würde, wenn er ihn - Gott bewahre - zur Entscheidung vorliegen hätte? Eine Stunde? Maximal zwei. Dann wäre der Sack zu. Wen interessieren Beweisanträge? Verteidiger? Kann man die nicht abschaffen?« Pöttinger lachte. »Dieser Richter wollte mich schon einmal aus dem Saal werfen lassen.«
    Claras Leberkäse schien mit einem Mal an Würze zu gewinnen und lag nicht mehr wie eine ausgetretene Schuhsohle in ihrem Mund. Auch der Kartoffelsalat verlor sein Aroma nach Konservierungschemie ein wenig, und man konnte einen Hauch von Kartoffel erahnen. Sie warf Pöttinger einen dankbaren Blick zu. Der streitbare Verteidiger war ihr mehr als einmal ein treuer Freund und Verbündeter gewesen und hatte ihr vor vier Jahren, als sie sich Hals über Kopf in die Selbstständigkeit gestürzt hatte, ohne Erfahrung und ohne Geld und mit einem Kind, das versorgt werden musste, viele Tipps gegeben. Die Vorstellung, jemand könnte auf die Idee kommen, dieses sprichwörtliche Schwergewicht aus dem Gerichtssaal werfen zu lassen, war absolut abwegig.
    »Ist es ihm gelungen?«, fragte sie neugierig.
    »Viel hätte nicht gefehlt. Die Beamten standen schon bereit. Ich habe mich hingesetzt und gemeint, sie müssten mich schon raustragen. Unter Anwendung unmittelbaren Zwangs, versteht sich. So etwas bin ich aus alten Sit-in-Zeiten gewohnt. Sie haben verzichtet, der Richter hat eingesehen, dass er sich nur lächerlich machen würde. Eine seltene Einsicht bei diesem Herrn, würde ich sagen.«
    Elisabeth Bloch-Stiegler gab ein merkwürdiges Geräusch von sich. Es erinnerte an das Husten eines Yorkshireterriers und sollte wohl ihre Verachtung zum Ausdruck bringen.
    »Haben Sie sich verschluckt, Frau Kollegin?«, fragte Pöttinger liebenswürdig.
    Frau Bloch-Stiegler blähte die Nasenflügel ihrer aristokratischen Spitznase: »Ganz und gar nicht, Herr Kollege. Ich kann einiges schlucken. Und Ihre unqualifizierten Äußerungen sind ja beileibe nichts Neues.« Sie stand auf und griff nach ihrem Tablett. »Sie entschuldigen mich?«
    Clara starrte ihr verblüfft nach: »Was ist denn in die gefahren?«
    Pöttinger schmunzelte: »Ihr Gatte spielt Golf mit Richter Oberstein.«
    »Oh.« Clara entfuhr ein leises Stöhnen, und sie griff sich mit beiden Händen in ihre widerspenstigen Locken: »Ausgerechnet. Da habe ich mir ja die Richtige ausgesucht, um etwas zu erfahren.«
    Dr. Lutz Stiegler, Elisabeth Bloch-Stieglers Ehemann, war die rechte Hand des bayerischen Justizministers. Clara hatte von ihm gehört, doch meist nur im Zusammenhang mit seiner Frau, die keine Gelegenheit ausließ, auf ihr ausgezeichnetes Verhältnis zum Justizminister hinzuweisen, ein Umstand, der ihr weniger Freunde beschert hatte, als sie möglicherweise annahm.
    Arno Pöttinger lachte: »Was wolltest du denn wissen?«
    Clara erzählte Pöttinger bereitwillig von ihrer desaströsen Verhandlung.
    Pöttinger nickte grimmig: »Unser Richter Oberstein, wie er leibt und lebt.«
    »Hast du schon von mehr solchen Fällen gehört?«, wollte Clara wissen.
    »Nun ja.« Pöttinger zuckte mit den Achseln: »Oberstein ist erst seit ein paar Monaten hier, er kam für Richter Fuchs, der ist in den Ruhestand versetzt worden. Aber seit er hier ist, wütet er wie die Axt im Walde.«
    Clara schüttelte den Kopf. »Das ist doch nicht möglich.«
    »Noch nie was von der Unabhängigkeit der Justiz gehört?«, spottete Pöttinger. »Über dem Richter nur der blaue Himmel.«
    Clara sah ihn mit ihren klaren grünen Augen nachdenklich an. »Und wenn der blaue Himmel so leer gar nicht ist …«, begann sie und unterbrach sich unvermittelt, den Blick auf die Theke hinter Pöttingers Rücken gerichtet. Zwischen ihren Augenbrauen erschien eine schroffe Falte.
    Pöttinger warf ihr einen erstaunten Blick zu, dann drehte er sich ebenfalls um. An der Kasse stand ein kleiner Mann in auffallend aufrechter Haltung und mit arrogantem Gesichtsausdruck: Richter Oberstein, der Golfpartner von Lutz Stiegler. Sein dunkles Bärtchen war akkurat gestutzt und umrahmte einen schmalen Mund. Seine Augen lagen nah beieinander und waren farblos und kalt wie Eiswasser. Mit unbeweglichem Gesicht und ohne jemanden zu grüßen, ging er an den Tischreihen vorbei bis zu einem der letzten Tische in der Ecke. Dort setzte er sich mit dem Rücken

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