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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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zum Raum, als wolle er sagen, ihr geht mich alle gar nichts an, und begann zu essen. Obwohl die Gespräche unvermindert weitergingen und niemand der Anwesenden eine Reaktion auf Richter Obersteins Erscheinen zeigte, war die Spannung deutlich zu spüren.
    »Er genießt es, gehasst zu werden. Er fühlt sich toll dabei, unser kleiner Amtsrichter«, murmelte Pöttinger leise.
    Clara starrte Obersteins Rücken an. Seine so offensichtlich abgewandte Haltung, während er seelenruhig aß und dabei die Wand anblickte, war eine ganz bewusste Provokation. Sie spürte, wie die Empörung über diesen Mann langsam wieder an die Oberfläche kroch, und sie ballte unvermittelt die Fäuste. Sie versuchte gar nicht erst, ihre mühsam eingeübte Distanz herbeizuzitieren, es wäre ohnehin zwecklos gewesen. »Wenn etwas dran ist, an diesen Gerüchten, dann … dann.« Sie verstummte.
    »Sollte es etwas geben, was ich nicht weiß?« Pöttingers Augen funkelten neugierig.
    Clara zuckte die Achseln. »Wir sollten eine rauchen gehen.«
    Auf der Terrasse vor der Cafeteria standen ein paar billige Plastikstühle um ein Aluminiumtischchen mit klebrigen Kaffeerändern und einem übervollen Aschenbecher. Clara rückte ihren Stuhl zwischen die staubigen Sträucher und hielt ihr helles Gesicht mit zusammengekniffenen Augen gegen die Sonne. Sie schnippte die Asche auf den Unterteller ihrer Kaffeetasse, während sie zögernd von dem Verdacht erzählte, der ihr heute Morgen bei ihrem Spaziergang gekommen war.
    »Du glaubst, das Ganze hat System? Oberstein ist nicht einfach nur ein kleines Arschloch, das sich für Gott hält, sondern er handelt nach Plan oder gar auf Weisung?« Pöttinger schüttelte den Kopf und lachte dröhnend. »Mann o Mann, du machst ja meinen schlimmsten Verschwörungstheorien Konkurrenz.«
    Clara starrte ihn böse an. »Mach dich nicht lustig über mich«, fauchte sie. »Ich weiß selber, dass es ziemlich verrückt klingt.«
    Pöttinger bemühte sich um ein ernstes Gesicht. »Ich mache mich nicht lustig über deine Idee . Ich wundere mich nur, wie ausgerechnet du auf so etwas kommst. Wenn ich solche Theorien aufstelle, o. k. Das kennt man ja. Aber du! Glühende Verfechterin von Recht und Ordnung, Hohepriesterin des sachlichen Arguments?« Jetzt konnte Pöttinger sein Lachen kaum mehr zurückhalten, er gluckste vernehmlich, und sein Gesicht nahm eine rötliche Färbung an.
    »Ich weiß nicht, was dabei so lustig ist, du Idiot!« Clara funkelte ihn mit blitzenden Augen an. »Würdest du bitte zu lachen aufhören?«
    Pöttinger blinzelte vergnügt und nahm sich eine zweite Zigarette aus Claras Schachtel. »Aber du könntest sogar recht haben, Clara. Man sagt, Oberstein sei eigentlich schon suspendiert gewesen wegen irgendeiner üblen Geschichte …« Er zuckte mit seinen massigen Schultern. »Jedenfalls soll es ihm nicht geschadet haben, mit Dr. Stiegler Golf zu spielen. Und unser Justizminister ist ja nicht eben für seine tolerante Haltung bekannt.«
    Clara starrte ihn an. »Was hat Oberstein denn angestellt?«
    Pöttinger hob betrübt die Hände zum Himmel. »Ich weiß es nicht, meine Liebe, ich weiß es nicht. Aber es muss schon etwas gewesen sein, was sich nicht so leicht unter den Tisch kehren lässt. Sicher keine solche Nebensächlichkeit wie deinen kleinen Italiener für ein paar Monate wegzusperren, was ja im Grunde eine gute Tat ist, schließlich schützt man damit die anständige Allgemeinheit vor solch widerwärtigen Subjekten …« Er schnaubte und trommelte mit seinen gewaltigen Fingern auf die Akte vor ihm auf dem Tisch. Clara sah an Pöttingers Gesichtsausdruck, dass er drauf und dran war, zu seinem Lieblingsthema vorzudringen: Der eingefleischte und ehemals militante Achtundsechziger Pöttinger vertrat die These, dass Faschisten dabei seien, den bayerischen Staat zu unterwandern, wobei es dort seiner Ansicht nach ohnehin nicht mehr viel zu unterwandern gab. Die Frage war nur noch, wann sie es wagen durften, ihre Gesinnung öffentlich zu machen. Doch Clara hatte keine Lust, eine ideologische Diskussion vom Zaun zu brechen. Zumal sie heute definitiv die schlechteren Argumente hatte und daher den Kürzeren ziehen würde.
    Sie legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. »Was meinst du, könntest du darüber ein bisschen mehr herausfinden?«
    Pöttinger rieb sich sein unrasiertes Kinn. Es gab ein Geräusch, wie wenn er über grobkörniges Schleifpapier kratzen würde. »Ich glaube, der Oberstein war vorher irgendwo in

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