Das Gesetz Der Woelfe
zusammengereimt hatte, war es wirklich. Nicht die Polizei, nicht der Bürgermeister, niemand tat etwas. Niemanden interessierte es, ob er nachts nicht schlafen konnte. Er, nur er selbst konnte etwas dagegen tun.
MÜNCHEN
Arno Pöttinger schüttelte ungläubig den Kopf. »Du musst komplett verrückt sein, Clara Niklas. Komplett verrückt«, wiederholte er immer wieder, nachdem er Claras Bericht über ihren Ausflug in den ersten Stock ungläubig gelauscht hatte. Er bestellte Clara einen doppelten Cognac und ließ sich die Rechnung bringen. Clara nippte am Glas, doch schon bei dem Geruch wurde ihr leicht übel, und sie schob es zu Pöttinger hinüber, der es in einem Zug hinunterkippte. »Herrgott im Himmel, du verrücktes Huhn«, schimpfte er und sah sie dabei besorgt an: »Ich bringe dich jetzt sofort nach Hause, verstanden? Du gehörst ins Bett.« Clara nickte gehorsam. Ins Bett zu gehen schien ihr ein guter Gedanke zu sein. Ihr Kopf dröhnte noch immer, und ihre Nase fühlte sich an, als sei sie mindestens doppelt so dick wie normal. »Glaubst du, dass sie gebrochen ist?«, nuschelte sie undeutlich, denn es bereitete ihr Schmerzen, den Mund richtig zu öffnen. Arno beugte sich vor und tastete vorsichtig ihren Nasenrücken ab.
Clara zuckte zurück. »Au!«
Arno schüttelte den Kopf. »Glaub ich nicht. Das fühlt sich anders an.« Er tippte auf seine eigene Nase, die einen deutlichen Knick in der Mitte hatte, was Clara erst jetzt so richtig auffiel. »Aber du solltest vielleicht trotzdem morgen zum Arzt gehen«, schlug er vor, »vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung.«
Clara schüttelte den Kopf. »Das kannst du vergessen«, flüsterte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Arno zuckte mit den Schultern und stand auf. Er half Clara in den Mantel und legte fürsorglich den Arm um sie, während sie zum Auto gingen. Clara fiel der Mann wieder ein, den sie vom Fenster aus gesehen hatte, doch er war nicht mehr da. Erschöpft ließ sie sich auf den Beifahrersitz sinken und schloss für einen Moment die Augen. Gespenster, nichts als Gespenster. Sie hörte Arno Pöttinger leise lachen, während er sich hinter das Steuerrad zwängte und mit seinem Gewicht das Auto erzittern ließ. »Du siehst aus wie nach einem Boxkampf, meine Liebe. Und freu dich drauf, wie das Ganze morgen aussehen wird. Ich hoffe, du hast eine Verhandlung, die gewinnst du allein durch deine farbenprächtige Anwesenheit.«
Clara gab ein gereiztes Knurren von sich. »Immerhin wissen wir jetzt, dass mein Gefühl mich nicht getrogen hat: Mit der Bitte um Kautionsstellung für Malafonte brauchen wir denen nicht zu kommen.«
»Dazu hättest du nicht dort oben herumschleichen müssen, eine einfache Frage hätte auch genügt«, gab Pöttinger spöttisch zurück. Clara ging nicht darauf ein. »Sie konnte es nicht erwarten, ihn loszuwerden. Ich frage mich, warum?«
»Im Gegensatz zu dir soll es Leute geben, die nicht scharf auf Scherereien sind. Vielleicht gehören sie zu dieser gar nicht so seltenen Spezies? Oder vielleicht war dein Angelo einfach ein miserabler Pizzabäcker?«
» Dich rühmt man in den schwersten Tagen als den, der dann noch Hilfe bringt, wenn, fast erdrückt von Schmerz und Plagen, das Herz schon mit Verzweiflung ringt .«
Pöttinger sah Clara misstrauisch an. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
Clara hielt ihm das kleine Heiligenbildchen hin, das sie in Malafontes Zimmer gefunden hatte: »Der heilige Judas Thaddäus, Schutzpatron für aussichtslose Situationen. Ich frage mich, ob es Malafonte gehört. Wäre irgendwie passend, nicht?«
Pöttinger seufzte. »Du gehörst echt ins Bett, Clara.«
Er bremste vor dem Eckhaus, in dem sich im ersten Stock Claras Wohnung befand, und hielt ihr die Tür auf. Clara stieg aus und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke für deine Fürsorge.«
»Soll ich dich nicht noch nach oben bringen?«
Clara schüttelte den Kopf.
»Gute Nacht.«
Sie winkte ihm nach, während er wegfuhr, und ging dann in den Torbogen, der zum Hinterhof ihres Hauses führte und in dem sich die Eingangstür befand. Es brannte kein Licht in dem Durchgang, wie Clara verärgert feststellte, und sie hatte Schwierigkeiten, ihren Schlüssel zu finden. Es war stockfinster, und mit einem Male wurde ihr unheimlich zumute. Hastig blickte sie sich um, doch es war niemand zu sehen. Nichts zu hören. Trotzdem spürte Clara, wie ihr Herz heftiger zu klopfen begann. Hektisch kramte sie in ihrer Tasche, und es verging eine
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