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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Aber wir sind dann hoffentlich längst unterwegs, westward ho! Womöglich mit Frank Hubalek: ich im wieder anmontierten Beiwagen, du auf dem Soziussattel. Vorausgesetzt, wir haben Sprit im Tank. Sonst werden wir uns das Dröhnen russischer Artillerie, das Jaulen von Stalinorgeln anhören müssen, und es bleibt uns nichts anderes übrig, als durch den Belagerungsring zu sickern, fußläufig.

Werkberichte, Exkurse
    Die Erzähltexte dieses Buches könnten unsicher machen in der Einschätzung: Was ist faktisch, was fiktiv? Ein womöglich, ja wahrscheinlich irritierendes Mischungsverhältnis.
    Die Methode hat allerdings – wenn auch indirekt – Tradition, und die ist ehrwürdig: Die Goldene Ära der niederländischen, der flämischen Malerei.
    In Texten zu Gemälden, Zeichnungen, Radierungen jener Zeit finde ich Stichworte, Formulierungen, die sich übernehmen lassen. Klangvolle Namen von Malern werden hier allerdings kaum genannt, primär geht es um die
Methode
der Gestaltung. Die habe ich freilich nicht entwickelt in einer Umsetzung kunsthistorischer Bild-Begleittexte – in dieser Intrada trage ich nach.
    Entscheidend: das Mischungsverhältnis von Realem und Fiktivem. Etwa 1600 wurde das Mixtum compositum in einem Lehrgedicht des damals berühmten Malers und Autors Karel van Mander so definiert: Ein Hendrick Goltzius malte nach präzisem Studium der Natur (»naer het leven«) und zugleich in künstlerischer Freiheit des Geistes (»uyt den gheest«).
    Die Formulierungen »naer het leven« und »uyt den gheest« finde ich im Katalog zur Ausstellung der Albertina 2009 :
Das Zeitalter Rembrandts.
Hier greife ich auf, was direkt und indirekt mein Verfahren definiert.
    In diesem Sinne: Weiter im Katalog, markierten Stellen folgend. »Von der konkreten Wirklichkeit ausgehen« … Durch »Verschiebungen der Maßstäbe und durch neue Motivkombinationen« eine Bildwelt schaffen, die natürlich wirkt, von der Natur aber nicht vorgegeben ist … »Das Studium ›nach dem Leben‹ dient der natürlich wirkenden Wiedergabe aus der Phantasie geschaffener Kompositionen.« Wobei ich pro domo die Formulierung »nach dem Leben« ersetze durch: Faktisches, historisch verifizierbar. Übertragen auf die Erzähltexte dieses Bandes: ein »Gesamtbild, komponiert aus realistisch dargestellten Versatzstücken der Wirklichkeit«. Verknappt: »Konstruierte, suggestive Natürlichkeit«. Die wiederum »Detailstudien« voraussetzt.
    Präzis wiedergegebene Details eingebracht, integriert in Freiräume der Phantasie. So konnte es auf Stadtbildern des 17 . Jahrhunderts zu »eigenwilligen Veränderungen der topographischen Gegebenheiten« kommen. In einer »augenscheinlich realistischen Ansicht« beispielsweise von Rotterdam konnte die »Wirklichkeit durch einige effekterhöhende Kunstgriffe dramatisiert« werden. Der Abstand zwischen Betrachter und Stadt wird verkürzt … Der Verlauf eines Flusses wird verändert, erscheint nun zu breit … Die »an sich richtig positionierten Bauten sind zu hoch wiedergegeben …« Intendiert wird: »Trotz aller minutiösen«, frei »zusammengesetzten Details einen in sich stimmigen Gesamteindruck vermitteln«.
    Oder, sogleich adaptierend: Was in Geschichten und Roman frei erfunden ist, muss wie historische Realität wirken. Bleibt jeweils die Frage nach dem Grad der möglichen Beimischung von Fiktion in Texten, die wirklichkeitsgetreu erscheinen.
    Kurzum, ich entwickle Parallelwirklichkeiten in wechselnden Mischungsverhältnissen von Fakten und Fiktionen. Womit jeweils Streulicht fällt auf »wahre Geschichten«: erhellend. So kann, zum Beispiel, Mentalität präziser herausgearbeitet werden als in puren Dokumentationen. Das gilt vor allem für den Roman im Buch: Mentalität als Triebkraft einer Strategie der Selbstvernichtung.
    Programm und Begründung genug? Dann darf ich einladen zu einer Führung durch die Erzähltexte, verbunden mit Seitenblicken, Rückblicken, Ausblicken.

    Da gab mir Beethoven einen Kuss. Der das behauptet, Johann Peter Lyser, ihn hat es leibhaftig gegeben in den Jahren zwischen 1804 und 1870 . Der taube Musiker, Autor, Graphiker hatte bereits einen kurzen Auftritt in meiner Biographie über Clara Schumann. 1911 war (in München) eine Biographie erschienen, verfasst von Friedrich Hirth:
Johann Peter Lyser. Der Dichter, Maler, Musiker
. Hier einige richtungsweisende Sätze, Lyser charakterisierend.
    »Es war geradezu eine Manie unseres Helden, über sich selbst eine Fülle von angeblich

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