Das Gesicht des Teufels
Wände, und über der Tür hing ein ihm bislang fremdes Hufeisen. Am auffälligsten aber war das große, mit Kreide gezeichnete Auge auf der Hüttentür.
Sieht nach Abwehrzauber aus. Werden eben wunderlich im Kopf ohne Männer. Bernward klopfte und trat ein. Doch in der Hütte war niemand, und überhaupt wirkte die Köhlerei wie ausgestorben. Erst nach einer längeren Weile hörte er, wie jemand durch raschelndes Laub stapfte.
Zweige knackten, Frauenlachen ertönte. Bernwards Gesicht hellte sich auf: Ursula schwenkte einen Korb voller Schlüsselblumen, Löwenzahn, Veilchen, Huflattich, Wiesenschaumkraut, Magdalena trug ein Fass Wasser auf dem Rücken.
Hanna aber hielt eine liebliche Madonnenmaske, diesie sich vors Gesicht hielt, kaum dass sie ihn gesehen hatte.
«Aus dem Weg», rief Magdalena. «Bitte!»
«Nicht hinsehen!», rief Ursula.
«Und nichts sagen. Kein Wort. Still.»
Hanna legte den Finger auf die Lippen.
Vor Verblüffung brachte Bernward den Mund nicht mehr zu. Schon bedeckte Hanna mit einer Hand seine Augen und küsste ihn auf die Wange, Ursula und Magdalena taten es ihr nach. Anschließend hängte Hanna die Madonnenmaske an den Türhaken, dann verstreute Ursula die Blumen vor dem Eingang, während Magdalena um die Hütte herumging und Wände und Dach mit Wasser bespritzte. Als sie damit fertig waren, gingen sie siebenmal um die Hütte herum und beteten laut zur Heiligen Jungfrau, diesen Ort zu beschützen.
«Zwar kann dich das Böse auch außerhalb noch heimsuchen, aber hier, hinter den Wänden deiner Hütte, hat es keine Macht mehr über dich. Komme oft hierher, um neue Kraft zu schöpfen, dann gewinnst du den Kampf gegen den bösen Blick.» Magdalena besprengte Hanna mit ein paar Wassertropfen, tat dasselbe bei Ursula und trat dann auch auf Bernward zu. «Frisches Quellwasser, Hegemeister. Aber ein paar Tropfen von meinem Osterwasser sind auch darin.»
Nachdem Bernward in den Genuss des zaubermächtigen Wassers gekommen war, verspritzte Magdalena den Rest über seinem Braunen. Die Zeremonie war beendet, jetzt konnte der Abwehrzauber seine Kräfte entfalten.
Eine Weile war es still. Die Frauen standen versonnen vor dem Eingang, niemand schien die Erste sein zu wollen, die auf die Blumen trat.
Bernward räusperte sich. Er schaute zu Hanna, sie nickte. «Einer muss der Erste sein.»
Bernward schritt durch die Blütenpracht und trat in die Hütte, die Frauen folgten ihm. Hanna zapfte ihm als Erstes einen vollen Krug Bier, dabei erzählte sie lebhaft, warum diese Zeremonie sein musste.
«Magdalena hat recht: Erst einmal tun, was man tun kann, dann wird sich Weiteres finden. Seit ich weiß, was mich umtreibt, fühle ich mich wie befreit. Jetzt kann ich dem Bösen den Kampf ansagen.»
Sie klang selbstbewusst, Ursula und Magdalena nickten eifrig. Bernward dagegen verzog keine Miene. Ruhig trank er sein Bier und fragte schließlich: «Und was sagt Ulrich dazu?»
«Ich muss es ihm erst noch sagen. Er hat Verpflichtungen in Mergentheim. Landkomtur Hans von Bibra hat die Deutschherren der Hege zu sich bestellt. Ulrich glaubt, er will alle dazu überreden, Waffen und Männer für die Truppen des Schwäbischen Bundes bereitzustellen.»
«Wie? Ulrich soll seine sechs geharnischten Detwanger Seelen in eine Schlacht führen?»
Bernward klang spöttisch, aber sein Gesicht war grimmig.
«Ja, und am liebsten wäre es dem Landkomtur, die wackren Deutschen Ritter würden in vorderster Linie kämpfen. Und dreinschlagen wie einst gegen die Heiden im Osten.» Hanna machte jetzt ein besorgtes Gesicht und senkte den Kopf. Wirkte sie gerade noch munter und tatkräftig, schien sie mit einem Mal viel von ihrer Kraft eingebüßt zu haben. «Wo soll das bloß alles enden? Was essen wir im Herbst und Winter? Die Felder werden nicht bestellt, wären die Frauen nicht, würden in den Gärten nicht einmal Kohl und Zwiebeln wachsen. Ich sehe Heerscharen von Kindern, die durch die Wälder streifen und Bucheckern sammeln, rieche die Schwaden von Feuern, auf denen Eicheln geröstet werden. Die Vogelfänger werdengute Geschäfte machen, und bald hängt der erste Wilderer am Galgen. Und was glaubt ihr, wie viele sterben werden, weil sie sich mit Pilzen vergiften? Die Kräuterfrauen werden alle Hände voll zu tun haben, und vor den Drehladen der Klöster werden die Kräftigeren den Schwächeren die Brotkanten aus der Hand reißen.»
«Ich hoffe, dies war jetzt keine Vision, oder?»
Bernward versuchte, entspannt zu klingen.
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