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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Cordes
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Eltern wollten?»
    «Es hat sich eine erbärmliche Szene abgespielt. Nachdem Ulrich Frederike und ihre Eltern willkommen geheißen hatte, hat sie sich auf einem Zimmer eingeschlossenund gedroht, sich etwas anzutun. Ihre Eltern, Ulrich, Bernward, Frau von Detwang haben sie vor der Tür angefleht, sie beschworen, ihr die Hölle ausgemalt   … da machte dieses Biest plötzlich auf. Sie hatte sich in ein Laken gehüllt, ließ es fallen   … und warf sich Ulrich laut aufschluchzend an die Brust.»
    «Du spinnst doch!»
    «Nein, Hanna. Ulrich hat sie so lange im Arm gehalten und auf sie eingeredet, bis sie im Stehen einschlief.»
    «Und dann?», fragte Hanna tonlos.
    «Trug er sie ins Bett.»
    Hannas Herz setzte für einen Augenblick aus, doch nur, um danach umso heißer in ihrer Brust zu hämmern. Ein Bild blitzte in ihrem Innern auf: Sie sah Ulrich, der Frederike wie ein Hochzeiter über die Türschwelle trug, sie hatte den Kopf an seine Brust geschmiegt. Ebenso aber hatte sie Ulrichs Gesicht vor Augen, schien seine Augen zu spüren, die wütend blitzten. Ihre Eifersucht verwandelte sich in Mitleid, doch schon im nächsten Augenblick wogte wieder eine andere Empfindung auf. Es ist ihr Mut, sagte sie sich. In Wahrheit ärgere ich mich nur über ihren Mut. Denn so berechnend Frederike auch war, hätte ich mich Ulrich vor aller Augen nackt an den Hals geschmissen? Hätte ich mich zu einem solchen Liebesbeweis hinreißen lassen?
    Sie wich der Antwort aus und fragte stattdessen: «Warum soll ich mir jetzt Sorgen machen? Hat Bernward etwa angedeutet, Ulrich wäre wankelmütig geworden?»
    «Nein. Aber für Frederikes Eltern war dieser Auftritt eine ungeheure Demütigung. Sie suchen einen Schuldigen, wollen Rache nehmen für die Schmach. Und das scheint Frederikes eigentliches Ziel gewesen zu sein: dass ihre Eltern ihren Liebesschmerz endlich ernst nehmen und handeln.»
    «Du willst sagen   …»
    «Ja, Hanna!» Ursula schrie beinah, so sehr nahm sie mit, was Bernward ihr noch erzählt hatte. «Frederike und ihre Eltern wollen dich jetzt beim Stadtrichter der Hexerei anklagen! Du hättest nicht nur Ulrich in den Bann geschlagen, sondern Frederike bei euren Begegnungen mit dem bösen Blick belegt. Beweise seien ihr unwürdiger Auftritt und Ulrichs Haltung, einer so schönen Frau von Stand, die sich ihm nackt in die Arme wirft, widerstanden zu haben.»
    «Was ist denn das für ein verquerer Unsinn!» Magdalena stemmte die Arme in die Seite. «Ein Mann, der eine nackte Frau sieht, kann nicht anders, als sie sofort ins Bett zu zerren und sie zu besteigen? Wer wird denn so etwas glauben? Männer mögen ja manchmal Tiere sein, aber so brünftig sind sie auch wieder nicht.» Sie fasste Hanna unter und schob sie sacht auf die Bank vor der Hütte. «Setz dich, du siehst kalkweiß aus. Werd jetzt bloß nicht kopflos. Wir stehen auf deiner Seite, Ulrich und Bernward sowieso. Das sind mächtige Verbündete.»
    Hanna schaute zu ihr auf. Sie wollte etwas sagen, doch jetzt hatte es ihr die Sprache verschlagen. Mutlos schloss sie die Augen und stützte sich mit der Stirn an Magdalenas Bauch ab. Nach einer Weile erhob sie sich und ging langsam auf die alte Eiche zu.
    Magdalena hielt Ursula zurück. Als Hanna außer Hörweite war, sagte sie: «Jetzt müssen wir aufpassen. Sonst ist unsere Wachsenberger Weiberwirtschaft schnell eine Wachsenberger Hexenwirtschaft. Mitgefangen, mitgehangen.»
    «Falsch, mitgebrannt.»
    Erschrocken sah Magdalena sie an. Beide Frauen bekreuzigten sich.

42
    Die letzten Apriltage zogen ins Land. Regenschauer wechselten mit gleißenden Sonnenstunden ab, die Erde dampfte vor Fruchtbarkeit, zuweilen waberten luftige Nebelgespinste durch Straßen und Gassen Rothenburgs. Jeder Tag brachte neues und kräftigeres Grün, sogar am Fuß der Stadtmauer zwängten sich frische Wildkräuter durch den schattigen Moder. Herumstreunende Ziegen taten sich an ihnen gütlich, während Kinder körbeweise Löwenzahnblätter für die Hauskaninchen sammelten.
    Lienhart und Marie waren mit Babur unterwegs und gerade über den Schrannenplatz gerannt. Schwer atmend drückten sie sich an die Mauer des Pulverturms, dessen schmaler Dachüberstand kaum ausreichte, sie nicht nass werden zu lassen.
    Marie hielt Babur zwischen den Knien. Hechelnd schaute dieser zu ihr hoch, während der Platzregen nach und nach schwächer wurde.
    «Würdest du mir eigentlich die Hand reichen und mich zum Manne nehmen?», fragte Lienhart gestelzt. «Immerhin

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