Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
eine Mordanklage hätte weitaus mehr Angriffsfläche geboten als der Vorwurf des Totschlags im Affekt. Opitz’ Rechtsanwalt legte nämlich mehrfach Beschwerde gegen die Untersuchungshaft seines Mandanten ein und versuchte durch verschiedene, zum Teil haarsträubende Beweismittelanträge das Verfahren zu verzögern beziehungsweise seinen Mandanten frei zu bekommen. Der absolute Gipfel zynischer und unmenschlicher Vorgehensweise war sein Antrag, dass bei den Ermittlungen auch die Eltern und die Großmutter von Corinna Roth als Mörder in Betracht zu ziehen seien.
Die große Frage war, wie würde das hohe Gericht die Aussagen der naturgemäß in aller Regel unglaubwürdigen Schwerkriminellen Freddy Zech und Zoran Radic bewerten. Würden die anderen Indizien und Beweise ausreichen, um den immer noch leugnenden Ralf Opitz hinter Gitter zu bringen?
An den insgesamt elf Verhandlungstagen vor dem Schwurgericht arbeiteten die drei Berufsrichter und der Staatsanwalt durch geschicktes Befragen des Angeklagten und der Zeugen in Verbindung mit den von den Kriminaltechnikern ausgewerteten Spuren hauptsächlich folgende Indizien und Beweise heraus, die für eine Täterschaft des Ralf Opitz sprachen:
1. Das Gericht stellte zunächst fest, es gäbe keinerlei Zweifel, dass Corinna Roth in den frühen Morgenstunden in ihrem Bett zu Tode kam. Das würden die auf der Matratze ihres Bettes festgestellten und ihr zugeordneten Urin-, Speichel- und Blutspuren beweisen.
2. Ein Sachverständiger des Landeskriminalamtes stellte fest, dass Art und Umfang der Spuren den Schluss zulassen, dass das Opfer mit hoher Wahrscheinlichkeit erwürgt oder erdrosselt wurde.
Die Verteidigung und der Angeklagte versuchten hingegen, glaubhaft zu machen, dass Corinna Roth noch lebte und irgendwo untergetaucht sei. Um dies zu untermauern, beauftragte Opitz während der Untersuchungshaft sogar einen amtsbekannten Betrüger, Recherchen anzustellen und vor Gericht zu behaupten, Corinna Roth in einem schäbigen Animierlokal in Paris gesehen zu haben. Interessant hierbei war, dass die Eltern des Angeklagten die Dienste dieses Betrügers finanzierten.
Einen weiteren Bekannten brachte Opitz so weit, dass er vor Gericht aussagte, Corinna sympathisiere mit der linken Szene und sei in den Untergrund abgetaucht.
Diese dilletantischen Versuche des Angeklagten, sich zu entlasten, wurden vom Gericht verworfen und als besonders infam und niederträchtig eingestuft.
3. Mit Hilfe der Mutter und Großmutter, denen Corinna stets ihre neuerworbenen Kleidungsstücke vorführte und die auch ihre schmutzige Wäsche wuschen, konnte jedoch exakt festgestellt werden, dass die Garderobe, insbesondere die Oberbekleidung sowie die Schminkutensilien von Corinna Roth vollständig waren. Ebenso befanden sich noch ihre sämtlichen Ausweispapiere in der Wohnung. Wäre sie von sich aus abgetaucht, hätte sie sicher Kleidung und Ausweise mitgenommen. Die genaue Bestandsaufnahme ihrer Kleidung belegte dagegen, dass sie nackt oder lediglich mit Schlüpfer und T-Shirt bekleidet aus der Wohnung geschafft wurde.
4. Ein Selbstmord von Corinna Roth an einem abgeschiedenen und bisher nicht entdeckten Ort, wie es vom Rechtsanwalt des Angeklagten in den Raum gestellt wurde, war absolut auszuschließen. Ihr Auto stand noch in der Garage.
Außerdem war sie zum Zeitpunkt ihres Verschwindens äußerst glücklich, gerade eine wichtige Lehrprobe mit der Note 2 erfolgreich bestanden zu haben. Dazu war die junge Frau frisch und aussichtsreich verliebt. Sie hatte das beste Verhältnis zu ihren Eltern. In den Stunden vor dem spurlosen Verschwinden war sie noch lustig und vergnügt. Es ergaben sich nicht die geringsten Anzeichen einer beginnenden Depression oder Ähnliches.
5. Ralf Opitz war der Letzte, der Corinna Roth lebend gesehen hatte und die einzige Person, die zur Tatzeit einen Grund gehabt hatte, Corinna Roth zu töten. Wie mehrere Zeugen aussagten, war er im höchsten Maße eifersüchtig. Außerdem brach durch die von Corinna Roth vollzogene Trennung seine Scheinwelt zusammen, wodurch er befürchtete, von seinen Eltern höchste Missachtung zu erfahren, was für ihn besonders schmerzlich gewesen wäre.
6. Dass ein anderer als Ralf Opitz Corinna Roth tötete und die Leiche anschließend beseitigte, wurde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Einbruchsspuren an Türen und Fenstern ihrer Wohnung waren nicht vorhanden. Die im gleichen Haus wohnende Großmutter war an jenem
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