Das Gesicht des Todes: Authentische Mordfälle (German Edition)
Radic wusste von Zeitungsberichten, dass Opitz wegen Mordverdachts in U-Haft saß. Er traute jedoch dem wesentlich jüngeren und unscheinbar aussehenden Burschen aus gutem Hause eine solche Tat nicht zu.
Nun dürfen sich Gefangene zu bestimmten Zeiten gegenseitig in ihren Zellen besuchen. Man nennt dies den » Umschluss«. Bei solchen Umschlüssen lernten sich Radic und Opitz näher kennen. Wilder, ein weiterer Gefangener und alter Knastbruder, war gelegentlich auch dabei.
Ein beliebtes Spiel unter den Untersuchungshäftlingen ist, beim Umschluss » Gericht« zu spielen. Dieses Spiel dient zum Zeitvertreib, aber auch zur Vorbereitung oder als Training für die anstehende Gerichtsverhandlung. Dabei werden natürlich bisherige Erfahrungen mit Richtern und Staatsanwälten ausgetauscht. Radic war in der Runde der absolute Star. Er konnte in überlegener Weise und je nach Belieben mal Richter, Staatsanwalt oder Angeklagter mimen, wobei er die anderen beiden regelmäßig an die Wand spielte.
Als Opitz, der nach wie vor angab, unschuldig zu sein, wieder einmal den Angeklagten spielte, wurde er von Radic und Wilder so weit in die Enge getrieben, dass die beiden plötzlich das Gefühl bekamen, dieser grüne Junge könnte tatsächlich seine Freundin umgebracht haben. Sie hakten jedoch vorerst nicht nach.
Ein paar Tage später kam das Trio auf die Idee, einen Bekannten von Radic nach Israel zu schicken, um dort nach einer Frau zu suchen, die Corinna sehr ähnlich sah. Diese Frau sollte mit Hilfe einer größeren Summe dazu gebracht werden, unter auffälligem Verhalten in Gegenwart von möglichst vielen Zeugen ein Telegramm an Corinnas Mutter abzuschicken, um damit ein Lebenszeichen vorzutäuschen. Opitz verfasste den Text des Telegramms selbst. Um das Ganze glaubhaft zu machen, erwähnte er darin einige Internas, die nur Corinna zu wissen schien. Das sollte ihre Eltern überzeugen, dass sie noch lebt und bei bester Gesundheit ist. Opitz versprach, nicht nur sämtliche Unkosten zu übernehmen, sondern Radic auch noch 10 000 D-Mark zu geben, wenn er durch diese Aktion aus der Haft entlassen werden würde.
Doch so weit kam es nicht, denn Radic wollte kein Geld, schon gar nicht solche Peanuts. Vielmehr wollte er sich für seine anstehende Gerichtsverhandlung einen Bonus verschaffen, der ihm einige Jährchen Gefängnis ersparen sollte. Außerdem plagte den schlauen Fuchs schon einige Zeit die Neugier. Er wollte wissen, ob dieser Grünling tatsächlich ein Mörder war. So setzte er alles daran, den unerfahrenen Opitz » abzukochen«, wie das im Fachjargon heißt.
Die Geschichte mit Corinnas Double in Israel nutzte Radic eiskalt dazu aus, Opitz so weit zu bringen, ihm die Wahrheit zu sagen. Er erklärte Opitz, er würde die Sache nur durchziehen, wenn er wirklich sicher sein könnte, dass Corinna tot sei und ihre Leiche nie wieder auftauchen würde. Opitz machte nun den ersten Schritt in die Falle. Während des Hofganges mit Radic versicherte er mit einem vielsagenden Unterton, Corinna würde nie wieder auftauchen. Dabei bückte er sich, nahm Staub vom Boden auf und pustete den Staub von der flachen Hand.
Es dauerte nur noch wenige Tage, bis es Radic gelang, Opitz endlich die Wahrheit zu entlocken. Radic sagte später aus, Opitz habe ihm die Tat mit folgenden Worten geschildert:
» Ich habe in der Nacht auf Corinna gewartet, bis sie nach Hause kam. Während des Wartens hatte ich genügend Zeit zum Nachdenken und mir ist endgültig klargeworden, dass etwas passieren muss. Als Corinna dann heimkam, stand mein Plan fest. Obwohl es mir gewaltig gegen den Strich ging, habe ich noch zugelassen, dass sie drüben bei ihren Eltern mit ihrem neuen Liebhaber, diesem Lehrer, telefonierte. Dann kam sie zurück, zog sich aus und schlüpfte zu mir ins Bett. Anschließend habe ich noch ein leises Gespräch mit ihr geführt. Es ging dabei um einen Brief, den ich ihr zwei Tage zuvor habe zukommen lassen, und darum, dass sie nicht mehr mit mir schlafen wollte.
Ich hatte eine Stinkwut, ließ mir aber nichts anmerken. Plötzlich und ohne Vorwarnung habe ich ihr dann einen Schlag ins Gesicht versetzt und sie sofort massiv gewürgt. Corinna wollte schreien, was ich jedoch durch kräftiges Zudrücken des Halses verhindert habe. Ihr zarter Hals hat dabei überhaupt keinen Widerstand geboten.
Corinna bekam offensichtlich Todesangst. Sie zitterte nur noch und brachte keinen Ton hervor, als ich den Würgegriff lockerte. Sie war nur noch ein › Stück
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